Entscheidungsstichwort (Thema)
Konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung. Strohmannkonstruktion. Betriebsratsmitbestimmung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Arbeitnehmerüberlassung durch ein konzerneigenes oder unternehmenszugehöriges Zeitarbeitsunternehmen verstößt auch in den Fällen der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern nicht gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, so dass darauf ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht gestützt werden kann.
2. Der Beschäftigung von Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmern zu unterschiedlichen Bedingungen stehen weder Art. 9 Abs. 3 GG noch der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz oder die Grundsätze von Recht und Billigkeit nach § 75 Abs. 1 BetrVG entgegen.
3. Auch dann, wenn der die Einstellung einer Leiharbeitskraft beabsichtigende Arbeitgeber den ihm obliegenden Prüf- und Konsultationspflichten nach § 81 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGB IX nicht oder nicht ausreichend nachgekommen ist, berechtigt dies den Betriebsrat nicht, seine Zustimmung zur Einstellung der Leiharbeitskraft nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu verweigern (im Anschluss an BAG vom 17.06.2008 – 1 ABR 20/07 –).
4. Auch eine unzureichende Beteiligung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nach § 81 Abs. 1 S. 6 SGB IX begründet kein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG (im Anschluss an BAG vom 10.11.1992 – 1 ABR 21/92 –).
Normenkette
AÜG § 14 Abs. 3 S. 1; BetrVG § 99; AÜG § 3 Abs. 1 Nr. 3; GG Art. 9 Abs. 3; BetrVG § 75 Abs. 1; SGB IX § 81 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Beschluss vom 20.02.2008; Aktenzeichen 2 BV 2/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 20.02.2008 – 2 BV 2/08 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren um die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung einer Leiharbeitskraft sowie um die Frage der dringenden Erforderlichkeit der Maßnahme.
Die Antragstellerin und Beteiligte zu 1. (künftig Arbeitgeber) ist ein Finanzdienstleister für private Kunden mit Schwerpunkt bei der Absatzfinanzierung von Konsumgütern. Er beschäftigt ca. 2.000 Mitarbeiter. Antragsgegner ist der für die Hauptverwaltung und für alle nicht betriebsratsfähigen Zweigstellen und Filialen zuständige Betriebsrat.
In der Unternehmensgruppe besteht als Zeitarbeitsunternehmen die T. Service GmbH, die ebenso wie die Antragstellerin eine hundertprozentige Tochter der T. Consumer Finance Germany GmbH ist. Die T. Service GmbH hat das Ziel, Leiharbeitnehmer im Unternehmen der Antragstellerin einzusetzen. Sie verfügt über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis und wendet Zeitarbeitstarifverträge an. Die Leiharbeitnehmer erhalten die tarifliche Vergütung nach einem Zeitarbeitstarifvertrag.
Der einschlägige Zeitarbeitstarifvertrag, die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der T. Service GmbH und der Rahmenüberlassungsvertrag liegen dem Betriebsrat vor.
Unter dem 21.12.2007 beantragte der Arbeitgeber die Zustimmung zu der für die Zeit ab 01.01.2008 auf zwei Jahre befristeten Einstellung der Arbeitnehmerin I. C. als Zeitarbeitskraft der T. Service GmbH.
Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung unter dem 27.12.2007. In dem Widerspruchsschreiben des Betriebsrats heißt es:
„der Betriebsrat stimmt einer Einstellung des Mitarbeiters nach § 99 BetrVG nicht zu.
Durch die Ausgründung einer T. Service GmbH sieht der Betriebsrat die Umgehung des Grundsatzes des „Equal pay” aus dem AÜG erfüllt und somit einen Verstoß gegen Gesetz.
Im Übrigen hat der Arbeitgeber offensichtlich seine Prüfungspflicht gemäß § 81 Abs. 1 SGB IX verletzt, ob und inwieweit ein Arbeitsplatz zur Besetzung mit Schwerbehinderten geeignet ist.
Nach § 99 Abs. 2 Nummer 3 widerspricht der Betriebsrat der Einstellung, da er für die im Unternehmen befristet Beschäftigten einen deutlichen Nachteil durch die Einstellung sieht. Im Bereich Händlerfinanzierung sind unseres Wissens nach Mitarbeiter befristet beschäftigt, unternehmensweit dürften aber auch mehrere Mitarbeiter befristet beschäftigt und für die Stelle geeignet sein.
Wir bitten Sie, von der Einstellung über eine T. Service GmbH Abstand zu nehmen und die Mitarbeiterin regulär im Unternehmen zu beschäftigen.”
Unter dem 28.12.2007 unterrichtete der Arbeitgeber den Betriebsrat von der vorläufigen Durchführung der Einstellung zum 01.01.2008. Mit Schreiben vom 02.01.2008 trat der Betriebsrat der Eilbedürftigkeit der Einstellung entgegen.
Zwischen den Beteiligten ist insbesondere streitig,
ob die hier in Rede stehende Maßnahme eilbedürftig ist,
ob sie gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verstößt,
ob eine zur Zustimmungsverweigerung berechtigende Umgehung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG (Grundsatz des „equal pay” sowie „equal treatment”) vorliegt,
ob eine Gefährdung der Lohngerechtigkeit im Betrieb und ein Verstoß gegen § 75 Abs. 1 BetrVG gegeben ist,
ob ein zur Zustimmungsverweigerung berechtigender Grund wegen Nichteinhaltung des Verfahrens nach § ...