Entscheidungsstichwort (Thema)
Differenzprozessgebühr bei Mehrvergleich über anderweitig rechtshängige Ansprüche
Leitsatz (amtlich)
Werden in einem Prozessvergleich Ansprüche aus einem anderen Rechtsstreit mitverglichen und vertritt der Rechtsanwalt die Partei in beiden Rechtsstreiten, erhält dieser neben der vollen Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) in dem mitverglichenen Rechtsstreit und der Vergleichsgebühr (§ 23 Abs. 1 BRAGO) nicht die weitere halbe Differenzprozessgebühr des § 32 Abs. 2 BRAGO.
Normenkette
BRAGO § 32 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Essen (Beschluss vom 05.08.2003; Aktenzeichen 2 Ca 4706/02) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 29.08.2003 wird der Vergütungsfestsetzungs-Beschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 05.08.2003 – 2 Ca 4706/02 –, zugestellt am 22.08.2003, abgeändert:
Der Antrag auf Festsetzung einer restlichen Vergütung (531,91 Euro nebst Zinsen) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller
3. Beschwerdewert: 531,91 Euro.
Tatbestand
I.
In dem zugrundeliegenden Kündigungsrechtsstreit (2 Ca 4706/02 ArbG Essen) haben die dortigen Prozessparteien im Termin am 25.03.2003 einen Vergleich geschlossen und einen ebenfalls zwischen ihnen anhängigen weiteren Zahlungsrechtsstreit – 2 (3) Ca 206/03 – mitverglichen. Im vorliegenden Vergütungsfestsetzungsverfahren (§ 19 BRAGO) beansprucht der Antragsteller, der die Antragsgegnerin auch im Zahlungsrechtsstreit vertreten hat, die Festsetzung einer halben Differenzprozessgebühr. Das Arbeitsgericht (Rechtspfleger) hat dem entsprochen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig: Sie ist nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 19 Abs. 2 Satz 3 BRAGO, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und auch fristgerecht (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegt worden.
2. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die vom Antragsteller geltend gemachte weitere halbe Differenzprozessgebühr aus §§ 11, 32 Abs. 2 BRAGO ist nicht entstanden.
a) Es ist im Einzelnen umstritten, ob eine weitere halbe Prozessgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO auch dann entsteht, wenn streitige Ansprüche in einem Rechtsstreit mitverglichen werden, die bereits Gegenstand eines anderen Rechtsstreits waren, für die derselbe Prozessbevollmächtigte aufgrund des dortigen Prozessauftrags bereits die volle Prozessgebühr aus § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO beanspruchen kann. Eine stark vertretene Meinung bejaht dies und begründet dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei den verschiedenen Verfahren um gebührenrechtlich selbständige Angelegenheiten im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 2 BRAGO handele und eine Anrechnung der Prozessgebühr des § 32 Abs. 2 BRAGO auf die volle Prozessgebühr gesetzlich nicht vorgesehen sei (so u. a. Hansens, BRAGO 8. Aufl. 1995, § 32 Rdn. 25 m. w. N.; Göttlich/Mümmler, BRAGO 20. Aufl. 2001, Stichw. „Vergleichsgebühr” Anm. 3.6.2. mit Rspr.-Übers. über Befürworter und Gegner; ebenso Gerold/Schmidt – von Eicken, BRAGO 15. Aufl. 2002, § 32 Rdn. 8 und 22; a. A. Mümmler, JurBüro 1988, 703; Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGO 8. Aufl. 2000, § 32 Rdn. 23; Hartmann, KostG 33. Aufl. 2004, § 32 BRAGO Rdn. 64).
Demgegenüber wird von dem (wohl) überwiegenden Teil der Rechtsprechung ein derartiger Anspruch verneint und dies im Wesentlichen damit begründet, dass unter Berücksichtigung des Normzwecks für die zusätzliche Entstehung der halben Differenzprozessgebühr nach § 32 Abs. 2 BRAGO dann kein Raum mehr bestehe, wenn derselbe Prozessbevollmächtigte in dem anderweitig rechtshängigen und nunmehr mitverglichenen Rechtsstreit dort bereits die volle Prozessgebühr ins Verdienen gebracht habe (so u. a. LAG Hamm vom 19.06.1986, MDR 1986, 788; LAG Sachsen-Anhalt vom 12.03.1996, JurBüro 1987, 191 [192] m. Anm. Enders; LAG Thüringen vom 10.06.1997, MDR 1997, 1167; KG vom 20.04.1998, Rpfleger 1998, 373; OVG Berlin vom 10.11.1999, JurBüro 2000, 303; OLG München vom 18.01.2000, MDR 2000, 544; LAG Nürnberg vom 07.05.2001, MDR 2001, 1079; OLG Zweibrücken vom 06.01.2003, Rpfleger 2003, 323).
b) Die Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vertritt unter Aufgabe ihrer früheren Rechtsprechung (vgl. insoweit Beschl. v. 19.12.1985, JurBüro 1987, 237) seit ihrem Beschluss vom 03.06.1993 – 7 Ta 261/92 – (JurBüro 1994, 672) die Auffassung, dass in Fällen der hier vorliegenden Art, in denen Ansprüche aus einem anderen Rechtsstreit durch denselben Prozessbevollmächtigten mitverglichen werden, neben der dort entstandenen vollen Prozessgebühr keine weitere (halbe) Differenzprozessgebühr aus § 32 Abs. 2 BRAGO entsteht.
3. An dieser Rechtsprechung wird festgehalten.
a) Wie bereits das Landesarbeitsgericht Hamm (MDR 1986, 788) und insbesondere Mümmler (JurBüro 1988, 703) zutreffend ausgeführt haben, sollte mit der durch das Kostenrechts-ÄnderungsG 1957 eingeführten Regelung in § 32 Abs. 2 BRAGO dem Rechtsanwalt – neben der Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO – dann eine weitere Gebühr in Form einer halben Pr...