Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB. fristgemäßer Widerspruch gemäß § 613 a Abs. 6 BGB. Verwirkung
Leitsatz (redaktionell)
Eine unvollständige Information über das Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang setzt die Widerspruchsfrist nicht in Gang.
Normenkette
BGB §§ 613a, 124, 242
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 11.01.2006; Aktenzeichen 3 Ca 2000/05 lev) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 11.01.2006 – 3 Ca 2000/05 lev – wird zurückgewiesen, soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass zwischen den Parteien ein Frühruhestandsvertragsverhältnis besteht.
II. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer am 30.09.2005 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Frühruhestandsvertragsverhältnis besteht und macht sich daraus ergebende Zahlungsansprüche geltend. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.
Die am 23.06.1950 geborene Klägerin war seit dem 01.10.1984 bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von zuletzt durchschnittlich 3.400,00 EUR beschäftigt.
Die Klägerin war im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern von der Beklagten zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.
Mit Schreiben vom 01.12.2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsplatz aufgrund einer umfassenden Restrukturierung entfalle und kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2005 (Bl. 19 der Akte).
Mit Schreiben vom 22.12.2003 wies die Beklagte die Klägerin nochmals darauf hin, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen am 30.06.2005 enden wird. Nach dem Hinweis „In diesem Zusammenhang halten wir folgendes fest:” folgte die Zusage einer Abfindung in Höhe von 103.339,96 EUR brutto, die sich für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 30.06.2010 aus einer monatlichen Leistung in Höhe von 1.638,00 EUR brutto sowie einer Einmalzahlung am 31.07.2005 von 5.059,96 EUR brutto zusammensetzte. Es folgten sodann weitere Zahlungszusagen, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl.20-22 der Akte Bezug genommen wird. Das Schreiben endete mit der Bitte, auf der beigefügten Zweitschrift zu bestätigen, dass sie – die Klägerin – den Inhalt des Schreibens zur Kenntnis genommen habe.
Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab.
Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete B. GmbH übertragen.
Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.
Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.
Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch die Klägerin über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß § 613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs.5 und 6 BGB teilt die Beklagte mit, es werde hiermit „noch einmal” schriftlich die vorgesehene und mit dem Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte abgestimmte Information gegeben, auch wenn sie – die Klägerin – „aus der bisherigen Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert” sei. Unter Ziffer 2. wird ausgeführt, die B. GmbH über...