Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung nach Erledigung eines Rechtsstreit betreffend die Untersagung des Tragens eines islamischen Kopftuchs im Schulunterricht
Leitsatz (redaktionell)
Das Tragen eines islamischen Kopftuchs oder anderer religiöser Symbole kann nur dann gem. § 57 Abs. 4 SchG NRW untersagt werden, wenn hierdurch eine Gefahr für den Schulfrieden besteht (hier: verneint).
Normenkette
SchG NRW § 57 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Aktenzeichen 12 Ca 175/07) |
Tenor
- Die Kosten des Rechtsstreites einschließlich des Revisionsverfahrens hat das beklagte Land zu tragen.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien haben über die Rechtswirksamkeit einer Abmahnung gestritten.
Die am 14.05.1971 geborene Klägerin ist ausgebildete Sozialpädagogin und seit dem 07.10.1997 bei dem beklagten Land beschäftigt. Sie wird mit Aufgaben aus dem sozialbetreuerischen Bereich zur Schlichtung von Schulkonflikten an einer Gesamtschule in Düsseldorf betraut. Dabei kommt sie mit Schülern unterschiedlicher Nationalitäten und religiöser Zugehörigkeiten in Kontakt. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin beträgt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden 2.800,-- €.
Seit dem 01.08.2006 finden in Nordrhein-Westfalen neue Regelungen des Schulgesetzes NRW (SchG NRW) Anwendung, die das Verhalten der Lehrer in der Schule betreffen.
§ 57 Abs. 4 SchG NRW lautet:
Lehrerinnen und Lehrer dürfen in der Schule keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern oder den politischen, religiösen, weltanschaulichen Schulfrieden zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Schülerinnen und Schülern oder den Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Lehrerin oder ein Lehrer gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt. Die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags nach Artikel 7 und 12 Abs. 6 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen widerspricht nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1. Das Neutralitätsgebot des Satzes 1 gilt nicht im Religionsunterricht und in den Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen.
Darüber hinaus findet sich im Schulgesetz NRW noch die nachfolgende Bestimmung:
§ 58
Pädagogisches und sozialpädagogisches Personal
Sonstige im Landesdienst stehende pädagogische und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken bei der Bildungs- und Erziehungsarbeit mit. § 57 Abs. 4 und 6 gilt entsprechend.
Nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung forderte das beklagte Land die Klägerin mit Schreiben vom 09.08.2006 auf, das islamische Kopftuch, das die Klägerin 18 Jahre - auch in der Schule - getragen hatte, abzunehmen. Dieser Aufforderung kam die Klägerin am 25.09.2006 nach, ersetzte aber das Kopftuch durch eine Baskenmütze mit Strickbund, die ihr Haar, den Haaransatz und die Ohren komplett bedeckt.
In einem Personalgespräch am 07.11.2006 erklärte die Klägerin gegenüber ihrer Schulleiterin, dass sie das Kopftuch in der Vergangenheit stets aus religiösen Gründen getragen hätte. Entsprechende Nachfragen zum Motiv für das Tragen der Baskenmütze blieben in diesem Gespräch unbeantwortet.
Mit Schreiben vom 19.12.2006 erteilte das beklagte Land der Klägerin eine Abmahnung und drohte ihr für den Fall unveränderten Verhaltens eine Kündigung an.
Mit ihrer am 08.01.2007 beim Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat die Klägerin die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte begehrt.
Mit Urteil vom 29.06.2007 - 12 Ca 175/07 hat das Arbeitsgericht Düsseldorf ihre Klage abgewiesen. Die hiergegen von der Klägerin bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 10.04.2008 - 5 Sa 1836/07 zurückgewiesen und die Revision zu dem Bundesarbeitsgericht zugelassen. Mit Urteil vom 20.08.2009 - 2 AZR 499/08 hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts die Revision der Klägerin zurückgewiesen.
Gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat die Klägerin eine Verfassungsbeschwerde bei dem Bundesverfassungsgericht eingelegt. Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 27.01.2015 - 1 BvR 471/10 entschieden, dass die Klägerin durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20. August 2009 - 2 AZR 499/08 -, das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. April 2008 - 5 Sa 1836/07 - und das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Juni 2007 - 12 Ca 175/07 - in ihrem Grundrecht aus Artikel 4 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes verletzt wird. Zugleich hat der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts die Urteile des Bundesarbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und das Verfahren an das Landesarbeit...