Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Weiterverweisungsklausel – und nach wirkungsloser Aufhebung einer in Bezug genommenen Tarifregelung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine in kirchlicher Trägerschaft stehende Einrichtung, die weiterhin mit dem BAT vergleichbare Regelungen über Orts- oder Sozialzuschläge anwendet, kann nach Ersetzung des BAT durch den TVöD nicht mehr als „sonstiger Arbeitgeber” i.S.v. § 29 B Abs. 7 Satz 3 BAT dem öffentlichen Dienst zugeordnet werden.

2. Mit der Tarifsukzession am 01.10.2005 ist die in einem Tarifvertrag (hier: § 9 Abs. 3 Buchst. b TV UmBw) erfolgte Verweisung auf die nach Maßgabe des § 29 B Abs. 7 BAT der Tätigkeit im öffentlichen Dienst gleichstehende Tätigkeit bei einem sonstigen Arbeitgeber hinfällig geworden.

3. Die nachträglich entstandene tarifliche Regelungslücke ist von den Gerichten für Arbeitssachen jedenfalls dann zu schließen, wenn die Tarifvertragsparteien selbst im Zuge einer „redaktionellen Anpassung” (§ 2 Abs. 4 TVÜ-Bund) hiervon abgesehen haben.

 

Normenkette

TVöD § 1; TVÜ § 2 Abs. 4; BAT § 29 B Abs. 7; TVUmBw § 9 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 03.06.2008; Aktenzeichen 10 Ca 1036/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.03.2010; Aktenzeichen 6 AZR 918/08)

 

Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 03.06.2008 wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Euro 38.120,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2008 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Hiervon ausgenommen sind durch die Anrufung des Arbeitsgerichts I. entstandene Mehrkosten, die die Klägerin zu tragen hat.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Klägerin eine tarifvertragliche Abfindung zusteht.

Die Klägerin war bei der Beklagten in deren Bundeswehrkrankenhaus I. als Stationshilfe und zuletzt als Mitarbeiterin in der zentralen Sterilgutversorgungsabteilung beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 16.07.1987 finden auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge sowie die für den Arbeitgeber jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung.

Am 18.07.2001 wurde für die im Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums der Verteidigung beschäftigten Arbeitnehmer, die unter den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) fallen, der „Tarifvertrag über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr” (TVUmBw) abgeschlossen. Der Tarifvertrag bestimmt u.a. Folgendes :

§ 9 – Abfindung –

(1) Der Arbeitnehmer, der nach einer ununterbrochenen Beschäftigungszeit von mindestens zwei Jahren wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes (§ 1 Abs. 1) im gegenseitigen Einvernehmen vor Vollendung des 58. Lebensjahres aus einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ausscheidet, erhält eine Abfindung nach Maßgabe folgender Tabelle: …

(2) Der Anspruch auf Abfindung entsteht am Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Klagt der Arbeitnehmer auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, wird die Abfindung erst fällig, wenn endgültig feststeht, dass der Arbeitnehmer ausgeschieden ist.

(3) Die Abfindung steht nicht zu, wenn

….

b) der Arbeitnehmer im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, weil er von einem anderen Arbeitgeber im Sinne des § 29 Abschn. B Abs. 7 BAT übernommen wird …

§ 14 – Beurlaubung –

(1) Arbeitnehmern kann auf Antrag für eine Tätigkeit bei einem Dritten Sonderurlaub gewährt werden.

Aufgrund der Schließung des Bundeswehrkrankenhauses I. zum 30.06.2007 und des Fehlens von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr in der Nähe zum Wohnort ging die Klägerin gemäß „Dienstvertrag vom 25.01.2007” mit der Marienkrankenhaus gGmbH Soest ein vom 01.03.2007 bis 31.03.2008 befristetes Arbeitsverhältnis ein. Das Arbeitsverhältnis wurde später entfristet und endete im April 2008. In § 2 des Dienstvertrages vom 25.01.2007 ist bestimmt, dass für das Dienstverhältnis die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes” (AVR) gelten. Nach § 4 ergibt sich die Zusammensetzung der Vergütung (nach VergGr. 8 des Abschnitts I der Anlage 1) aus den AVR.

Die Beklagte gewährte der Klägerin für die Aufnahme der Tätigkeit beim Marienkrankenhaus Soest unbezahlten Sonderurlaub vom 01.03.2007 bis 31.08.2007. Am 28.08.2007 vereinbarten die Parteien in einem Auflösungsvertrag die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2007.

Im September 2007 verlangte die Klägerin schriftlich von der Beklagten die Zahlung einer Abfindung nach dem TVUmBw. Nachdem die Beklagte die Forderung mit der Begründung, dass die Klägerin von einem anderen Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 3 b TVUmBw i.V.m. § 29 B Abs. 7 BAT übernommen worden sei, ablehnte, hat die Klägerin mit der im Januar 2008 vor dem Arbeitsgericht I. erhobenen Klage die Beklagte...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge