Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachwirkung eines Tarifvertrages bei Freistellung eines Arbeitnehmers zu einer Arbeitsgemeinschaft im Baugewerbe

 

Leitsatz (amtlich)

Im Nachwirkungszeitraum des § 4 Abs. 5 TVG haftet der Stammbetrieb des Arbeitnehmers für tarifliche Ansprüche des zu einer Arbeitsgemeinschaft freigestellten Arbeitnehmers gesamtschuldnerisch gemäß den §§ 421, 427, 431 BGB.

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 5; BRTV Bau § 9 Nr. 2.1

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Urteil vom 20.06.1997; Aktenzeichen 5 (1) Ca 331/97)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 20.06.1997 – 5 (1) Ca 331/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 01.04.1964 bei der Beklagten als Lockfahrer beschäftigt. Er ist seit Juni 1974 Mitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (vorher Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden) und damit ebenso wie die Beklagte tarifgebunden. Bis einschließlich 1995 zahlte die Beklagte an alle Arbeitnehmer unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit ein 13. Monatseinkommen nach dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27.04.1990 in der Fassung vom 23.06.1995. Nachdem dieser Tarifvertrag zum 31.10.1996 gekündigt worden war, hat die Beklagte mit den Monatsbezügen für den Monat November 1996 an ihre Mitarbeiter ebenfalls unabhängig von ihrer Tarifbindung nur 2/3 des 13. Monatseinkommens gezahlt. An den Kläger zahlte sie 3.995,– DM brutto. Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Zahlung des restlichen Drittels in Höhe von 1.996,94 DM brutto.

Der Kläger, der vor und nach dem 30.11. (Stichtag nach § 2 Abs. 1 TV) zur Arbeitsgemeinschaft R.-M., an der auch die Beklagte beteiligt war, freigestellt war, hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.996,94 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf ein restliches tarifliches 13. Monatseinkommen in Höhe von 1.996,94 DM brutto nicht zu.

Nachdem der einschlägige Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27.04.1990 zum 31.10.1996 wirksam gekündigt worden sei, habe diese Kündigung die Entstehung eines tariflichen Anspruchs per 30.11.1996 (Stichtag) verhindert. Soweit sich der Kläger auf die Nachwirkung des § 4 Abs. 5 TVG berufe, sei diese Bestimmung verfassungsrechtlich bedenklich, da sie die Nachwirkung eines gekündigten Tarifvertrages für unbegrenzte Zeit anordne.

Das Arbeitsgericht Duisburg hat durch Urteil vom 20.06.1997 der Klage stattgegeben.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht, auf dessen Entscheidungsgründe im übrigen verwiesen wird, im wesentlichen ausgeführt:

Der Anspruch des Klägers auf ein volles 13. Monatseinkommen ergebe sich aus dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe. Die Parteien seien als Mitglieder der Tarifvertragsparteien tarifgebunden. Dem stehe auch nicht entgegen, daß dieser Tarifvertrag aufgrund Kündigung zum 31.10.1996 ausgelaufen sei. Gemäß § 4 Abs. 5 TVG gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrages auch nach seinem Ablauf weiter, bis sie für das einzelne Arbeitsverhältnis verbindlich durch eine andere Abmachung ersetzt würden. Für die Zeit ab dem 31.10.1996 bis zu seiner Ersetzung sei dieser Tarifvertrag aufgrund der durch § 4 Abs. 5 TVG angeordneten Nachwirkung nach wie vor maßgeblich. Die von der Beklagten gegen die Verfassungsgemäßheit des § 4 Abs. 5 TVG geäußerten Bedenken bestünden nicht. Insbesondere sei ein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit nicht zu erkennen. Die Beklagte habe nicht ansatzweise erläutert, aus welchen Gründen sie sich einem Druck hinsichtlich ihrer Entscheidungsfreiheit über die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband ausgesetzt fühle. Weiter schränke die Regelung des § 4 Abs. 5 TVG die Autonomie der Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Ausgestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch eine wie auch immer geartete tarifliche Neuregelung nicht ein, sondern schaffe nur eine Interimsregelung bis die Tarifvertragsparteien selbst in völliger Regelungsfreiheit eine Ersatzregelung geschaffen hätten.

Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 16.07.1997 zugestellte Urteil mit einem am 18.08.1997 (Montag) beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem weiteren am 18.09.1997 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Zur Begründung des Rechtsmittels führt die Beklagte aus, das Arbeitsgericht habe übersehen, daß der Kläger am 30.11.1996 im Zweitarbeitsverhältnis zur Arbeitsgemeinschaft R.-M. gestanden habe, während sein Arbeitsverhältnis zur Beklagten als Stammbetrieb geruht habe. Ein Anspruch gegen die Beklagte scheide in diesem Falle aus, weil der Arbeitnehmer nach § 9 Nr. 2.1 Satz 3 des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das B...

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