Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichstellungsabrede. Betriebsübergang. Tarifwechsel
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gleichstellungsabrede ist in den sog. Altfällen dahin auszulegen, dass in Art eines Rechtsfolgenverweises auch die nicht organisierten Arbeitnehmer so gestellt werden, als wären sie Mitglied in der tarifschließenden Gewerkschaft.
2. Im Falle eines (Teil-)Betriebsüberganges bedeutet dies, dass bei Vorliegen der Fallkonstellation des § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB die für die Arbeitsverhältnisse gewerkschaftsangehöriger Arbeitnehmer nach § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB vorgesehene Transformation der vorher normativ geregelten Arbeitsbedingungen in das Arbeitsverhältnis nicht stattfände, was aufgrund des Gleichstellungszweckes einer Gleichstellungsabrede dann entsprechend auch für die nicht organisierten Arbeitnehmer gilt, mit der Folge, dass die vor dem (Teil-)Betriebsübergang anwendbaren Tarifverträge weder statisch noch dynamisch fortgelten (so BAG vom 23.01.2008 – 4 AZR 602/06; entgegen BAG vom 29.08.2007 – 4 AZR 767/06).
3. Einem Tarifwechsel, der sich beim Vorliegen der Fallkonstellation nach § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB aufgrund der Gleichstellungsabrede auch für die nicht organisierten Arbeitnehmer ergibt, steht nicht entgegen, dass die Arbeitsvertragsparteien einen solchen nicht ausdrücklich vereinbart hatten. Bei einem bereits vom Gleichstellungszweck einer Gleichstellungsabrede gedeckten Tarifwechsel bedarf es keiner Tarifwechselklausel – vielmehr müssten umgekehrt eine Besserstellung von nicht organisierten Arbeitnehmern gegenüber Gewerkschaftsmitgliedern im Hinblick auf die sich für diese ergebende normative Rechtslage, d. h. die Ausnahmen von der ansonsten vereinbarten Gleichstellung ausdrücklich geregelt worden sein.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Urteil vom 22.07.2008; Aktenzeichen 7 Ca 2884/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 22.07.2008 – 7 Ca 2884/07 – abgeändert:
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
A
Die Parteien streiten über Entgeltdifferenzen (Lohn, Urlaubsgeld, Zuwendung) nach einem erfolgten Teilbetriebsübergang mit Branchenwechsel und so insbesondere über die Frage des nach diesem Betriebsübergang anwendbaren Tarifrechts.
Die Klägerin trat auf der Grundlage eines schriftlichen Formulararbeitsvertrages vom 18.09.1972 in die Dienste der Stadt Remscheid, welche Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes war. Dieser Arbeitsvertrag enthält – wie auch diejenigen von anderen Arbeitnehmern – folgende Regelung:
„§ 2
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31.01.1962 und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge, insbesondere des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-G/NRW) und der Anlage 5 zum BMT-G II, in der jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung …”
Nachdem das Arbeitsverhältnis zunächst auf die ebenfalls dem Kommunalen Arbeitgeberverband als Mitglied angehörende T.-Klinikum S. GmbH übergegangen war, übernahm die Beklagte von dieser den Bereich Reinigung mit Wirkung ab 01.07.2004.
Die zuletzt als Reinigungskraft beschäftigte Klägerin, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht widersprochen hatte, war am 01.04.2004 Mitglied der Gewerkschaft ver.di geworden.
Ab dem Teilbetriebsübergang entlohnt die Beklagte die Klägerin und die anderen Mitarbeiter im Reinigungsbereich nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für die gewerblich Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk. Mit einer beim Arbeitsgericht Wuppertal anhängigen Klage verfolgte die Klägerin zunächst die Zahlung der Entgeltdifferenzen (Lohn, Urlaubsgeld, Zuwendung) zwischen den sich nach dem BMT-G II errechnenden Entgelten und den von der Beklagten für den Zeitraum Juli 2004 bis Mai 2005 gezahlten Beträgen. Das Arbeitsgericht Wuppertal gab der Klage mit Urteil vom 22.11.2005 statt (Aktenzeichen 7 Ca 2758/05). Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hob auf die Berufung der Beklagten hin mit Urteil vom 20.07.2006 diese Entscheidung auf und wies die Klage ab (Aktenzeichen 15 (4) Sa 62/06). Das Landesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung die Ansicht vertreten, dass nach der (hier anwendbaren) „alten” Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei einer sachgerechten Auslegung der Gleichstellungsabrede der betreffende Arbeitnehmer – auch ohne eine kongruente Tarifgebundenheit desselben – so zustellen sei, als wäre er (einschlägig) tarifgebunden. Dementsprechend richte sich die Frage, mit welchem Inhalt, wie lange und zu wem die so vereinbarte Tarifgeltung Bestand habe, nach den im Falle beiderseitiger...