Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang bei Wet-Lease. Keine verbotene Arbeitnehmerüberlassung bei Wet-Lease. Keine rechtsmissbräuchliche Betriebsstilllegung durch Insolvenzverwalter. Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung durch Fluggesellschaft. Weitestgehende Parallelentscheidung zu LAG Düsseldorf 4 Sa 107/21 v. 11.08.2021
Leitsatz (amtlich)
weitestgehende Parallelentscheidung zum Urteil des LAG Düsseldorf vom 11.08.2021 - Az.: 4 Sa 107/21 -
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Wet-Lease-Vereinbarung begründet keinen Betriebsübergang.
2. Die Wet-Lease-Vereinbarung stellt keine verbotene Arbeitnehmerüberlassung dar, die ein Arbeitsverhältnis begründen könnte.
3. Die Stilllegung des Betriebs durch den Insolvenzverwalter ist weder eine Umgehung noch eine Diskriminierung und daher auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 1; AÜG § 10 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 S. 1-2; RL 2008/104/EG Art. 5 Abs. 5; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, § 17 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1, § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.12.2020; Aktenzeichen 7 Ca 4630/20) |
Tenor
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.12.2020 - Az.: 7 Ca 4630/20 - wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Beklagten zu 1) sowie über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund eines Betriebsübergangs oder aufgrund verbotener Arbeitnehmerüberlassung mit der Beklagten zu 2) besteht.
Der Beklagte zu 1) ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Luftfahrtgesellschaft X. mbH (im Folgenden: Schuldnerin). Die Beklagte zu 2) ist eine Fluggesellschaft des M.-Konzerns mit ca. 9.000 Mitarbeitern und Sitz in B.. Der Kläger ist seit dem 05.08.2008 bei der Schuldnerin als Kapitän sowie zuletzt Line Training Captain und Flight Safety Officer zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von zuletzt 12.077,72 € beschäftigt und am Flughafen T. stationiert. Er wurde ausschließlich auf Flugzeugen des Typs Bombardier Dash 8 Q-400 (im Folgenden: Dash) eingesetzt. Die Schuldnerin beschäftigte zuletzt ca. 348 Mitarbeitern in den Bereichen Boden, Cockpit und Kabine.
Für die Arbeitnehmer des Bereichs Cockpit war gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG durch den Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 vom 05./10.02.2014 (im Folgenden TV-PV) eine Personalvertretung Cockpit (im Folgenden PV Cockpit) errichtet worden.
Die Schuldnerin ist eine deutsche Fluggesellschaft, die im Jahr 1980 von Herrn C. X. gegründet wurde, der zugleich Inhaber des einzigen Geschäftsanteils an der Schuldnerin war. Die Schuldnerin trat nicht eigenständig am Markt als Anbieter von Flugreisen gegenüber Endkunden auf, sondern betrieb Flüge im Wet-Lease auf der Grundlage sog. ACMIO-Verträge (Aircraft, Crew, Maintenance, Insurance, Overhead). Dabei stellte sie ein Flugzeug (Aircraft) nebst Besatzung (Crew), Wartung (Maintenance), Versicherung (Insurance) und Betriebskosten (Overhead) einer anderen Fluggesellschaft für deren Flugstrecke zur Verfügung, wobei Flugzeuge und Besatzung nach außen wahrnehmbar, etwa durch die Lackierung des Flugzeugs und die Uniformen des Kabinenpersonals, dem Auftraggeber zugeordnet waren und gegenüber den Fluggästen lediglich ein Hinweis auf den im Wet-Lease operierenden Dienstleister erfolgte. Die Flugzeuge selbst leaste die Schuldnerin von Dritten im sog. Dry-Lease. Über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte die Schuldnerin nicht.
Die Schuldnerin flog in diesem Wet-Lease-Geschäftsmodell zunächst ausschließlich für das Luftverkehrsunternehmen Air M. PLC und Co. Luftverkehrs KG (im folgenden Air M.). Hierzu leaste sie jedenfalls 15 Flugzeuge des Typs Dash im Wege des Dry-Lease, sei es von Air M., sei es von der Deutschen M. AG (im Folgenden E. AG) bzw. Konzernunternehmen der M.. In der Folgezeit übernahm Air M. die Geschäftsanteile der Schuldnerin, Anfang 2017 wurden diese von der Komplementärin der Air M. übernommen. Nach der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Air M. im August 2017 erwarb die M. Commercial Holding GmbH (im Folgenden M. GmbH), eine 100%ige Tochtergesellschaft der E. AG, die Geschäftsanteile an der Schuldnerin mit Anteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 13.10.2017.
Am 25.10.2017 schloss die Schuldnerin als Leasinggeber mit der Beklagten zu 2) als Leasingnehmer einen ACMIO Rahmenvertrag (im Folgenden ACMIO RV). In diesem heißt es u.a.:
"Dieser ACMIO RAHMENVERTRAG (dieser Vertrag) wird ...
ZWISCHEN
(1) Luftfahrtgesellschaft X. mbH ... (Leasinggeber)
und
(2) Euro x. GmbH ... (Leasingnehmer)
(Leasinggeber und Leasingnehmer werden einzeln auch als Vertragspartei und zusammen als Vertragsparteien bezeichnet)
geschlossen.
IN ANBETRACHT DER TATSACHE, DASS
(A) der Leasinggeber beabsichtigt, eine bestimmte kommerzielle Fahrgastbeförderung für den Leasingnehmer auf Grundlage von ACMIO (wet lease1) wie nac...