Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit tarifvertraglicher Regelungen. Protokollnotiz
Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren die Tarifvertragsparteien im Rahmen eines Ergänzungstarifvertrages durch eine Protokollnotiz die Fortgeltung bestimmter Entgelttabellen außerhalb des ERA, so ist diese Protokollnotiz bei der Auslegung des Ergänzungstarifvertrages als eigenständiger Teil des Tarifvertrages zu beachten und rechtlich zu würdigen.
Normenkette
Entgeltrahmenabkommen der Metallindustrie (ERA)
Verfahrensgang
ArbG Essen (Urteil vom 31.08.2010; Aktenzeichen 2 Ca 152/10) |
Nachgehend
Tenor
1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 31.08.2010 – 2 Ca 152/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, hinsichtlich der Vergütung des Klägers die Entgelttabelle des Entgelttarifvertrages der Metall- und Elektroindustrie Hessen in der derzeit gültigen Fassung anzuwenden.
Der Kläger ist seit dem 30.06.1971 im Anschluss an ein Ausbildungsverhältnis bei der Beklagten beschäftigt und arbeitet seit dem 01.12.1997 als Montageprojektleiter in deren Niederlassung in F.. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hessen Anwendung.
Zur Kompensation von Mehrkosten, die durch die Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA) in den Unternehmen der Hessischen Metall- und Elektroindustrie anfallen würden, wurde in den Tarifverträgen über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 28.05.2002 und vom 17.02.2004 unter anderem geregelt, dass die Erhöhungen des Tarifvolumens auf zwei Komponenten verteilt werden sollten. Eine Komponente sollte der dauerhaften Erhöhung der Tabellenwerte der jeweiligen Entgelte dienen, die andere Komponente sollte in ERA-Strukturkomponenten fließen, die in der ersten Tarifperiode ausgezahlt und in den folgenden Tarifperioden jedoch noch nicht fällig werden sollten. In Ausführung dieser Vereinbarungen zahlte die Beklagte im Juni 2003 die ERA-Strukturkomponente von 0,9 % an ihre Arbeitnehmer aus.
Am 11.06.2003 vereinbarten die zuständigen Arbeitgeberverbände mit der IG Metall einen ersten Ergänzungstarifvertrag, der für September 2003 die eigentlich vorgesehene Auszahlung der ERA-Strukturkomponente von 0,5 % entfallen ließ.
Am 30.09.2003 schlossen die oben genannten Tarifvertragsparteien einen weiteren Ergänzungstarifvertrag (ETV), wonach ab dem 01.01.2004 für alle Standorte der Beklagten die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie des Tarifgebiets Hessen gelten sollten. Der Tarifvertrag sollte nach seiner Präambel zur Erhaltung und Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten und zur Erhaltung der Arbeitsplätze beitragen. Wegen der Einzelheiten des ETV wird im Übrigen auf Blatt 41 bis 47 der Akten verwiesen.
Am 30.09.2004 schlossen die Tarifvertragsparteien alsdann einen weiteren Änderungstarifvertrag (ETVÄ), der unter anderem folgende Bestimmung enthielt:
1. Die Bestimmung des § 4 Beschäftigungssicherung wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
§ 4
Beschäftigungssicherung und Anpassungsmaßnahmen
(1) …
(2) Das Unternehmen ist bestrebt, die sich aus § 3 Ziff. (1) und (2) ergebenden jeweiligen D.-Tabellen über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen schrittweise wieder an die jeweils gültigen Tabellen über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für das Land Hessen heranzuführen. Dazu wird folgende Vereinbarung getroffen.
- Ab 01. Januar 2007 erhalten die Mitarbeiter eine Erhöhung ihres tariflichen Grundgrundentgelts um ein Drittel der Differenz, die sich aus den dann für das Land Hessen geltenden Lohn-, Gehalts- und Ausbildungsvergütungen und den dann für das Unternehmen geltenden Tabellen ergibt.
- Im 3. Quartal 2007 werden die Tarifvertragsparteien zusammen mit den Betriebsparteien darüber beraten, ob und in welcher Weise eine weitere Heranführung an die für das Land Hessen geltenden Tabellen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und der zukünftigen ERA-Einführung erfolgen kann.
2. Diese Änderungen des Ergänzungstarifvertrages vom 30. September 2003 treten zum 01. Oktober 2004 in Kraft.
3. Die übrigen Bestimmungen des Ergänzungstarifvertrages vom 30. September 2003 bleiben unverändert bestehen.
Die Beklagte erhöhte die Tabellenentgelte ab dem 01.01.2007, wie im ETVÄ vorgesehen. Gespräche über eine weitere Heranführung an die für das Land Hessen geltenden Entgelttabellen des Flächentarifvertrages scheiterten.
Am 06.10.2008 vereinbarten die Tarifvertragsparteien, dass für die Deutschen Betriebe der Beklagten das Entgeltrahmenabkommen der Hessischen Metall- und Elektroindustrie spätestens am 01.04.2009 eingeführt werden sollte. Seit diesem Zeitpunkt ist der Kläger in der Entgeltgruppe E 11 eingruppiert...