Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlängerung der Arbeitszeit. freigestelltes Betriebsratsmitglied
Leitsatz (amtlich)
Auch ein teilzeitbeschäftigtes, freigestelltes Betriebsratsmitglied kann nach § 9 TzBfG die Verlängerung seiner Arbeitszeit verlangen. Kommen für die Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes i.S.v. § 9 TzBfG mehrere Arbeitnehmer in Betracht, dürfen bei der Auswahlentscheidung Unterschiede in den Eignungs-, Befähigungs- und Leistungsbildern der jeweiligen Bewerber grundsätzlich nur dann berücksichtigt werden, wenn sie nicht durch die Betriebsratstätigkeit, insbesondere nicht durch die Freistellung entstanden sind. Anderenfalls träte eine Benachteiligung des Betriebsratsmitgliedes nach § 78 Satz 2 BetrVG ein. Hat das Betriebsratsmitglied sich wegen seiner Freistellung nach einem Umstrukturierungsprozess noch nicht in die neuen Arbeits- und Produktionsstrukturen des Arbeitgebers einarbeiten können, kann daraus seine geringere Eignung für die Aufgabenerledigung nicht abgeleitet werden. Seiner vorrangigen Berücksichtigung steht auch eine weitere Freistellung nicht entgegen. Eine andere Beurteilung würde gegen das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen.
Normenkette
TzBfG § 9; BetrVG § 78 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 15.12.2006; Aktenzeichen 1 Ca 5377/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.12.2006 – 1 Ca 5377/06 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Verlängerung der Arbeitszeit von 25 Wochenstunden auf 39 Wochenstunden zu im Übrigen unveränderten Arbeitsbedingungen ab dem 01.10.2006 anzunehmen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin die Differenzvergütung zwischen der Vergütung einer 39-Stunden-Kraft und einer 25-Stunden-Kraft ab dem 01.10.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¼, die Beklagte zu ¾.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin zu erhöhen.
Die Klägerin wurde am 02.12.1993 von der E. World Wide Express GmbH (im Folgenden: E. WWE) in deren Niederlassung in C. eingestellt. Anfang 2005 wurde das Unternehmen auf die Deutsche Post Express (DPE), die Beklagte, verschmolzen, die im Anschluss umfirmierte. Geschäftsgegenstand der E. WWE waren die internationalen Sendungen, Geschäftsgegenstand der DPE die nationalen Sendungen.
Die Klägerin ist seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses teilzeitbeschäftigt. Sie war im Bereich Umschlag (OPS; bei der Beklagten: Terminal Handling) zunächst als OPS Clerk und seit dem 01.04.1996 als Senior OPS Clerk tätig. Seit 1998 ist sie Mitglied des Betriebsrats. Zur Anpassung ihrer persönlichen Entwicklung an die betriebsübliche Entwicklung erteilte die E. WWE ihr unter dem 11.07.2002 folgende Zusage:
- „Mit Wirkung vom 01.07.02 erhälst Du rückwirkend eine Aufstockung Deines Stundenkontingents um 1,5 Stunden pro Tag. Deine Wochenarbeitszeit beträgt somit ab 01.07.02 insgesamt 25,0 Stunden.
- Sollte zu einem späteren Zeitpunkt in Deinem direkten Tätigkeitsbereich ein weiteres Stundenvolumen zur Ausschreibung kommen, das sinnvoll an Deine bevorstehende Arbeitszeit angehangen werden kann, wird Deine Bewerbung zuvorderst berücksichtigt.
- Mit Wirkung vom 01.07.02 wirst Du rückwirkend in die Position Team Experte (LI), Tarifgruppe T 3, versetzt. Dein Gehalt wird um 5 % angepasst und beträgt mit Wirkung ab 01.07.02 EUR 1.740,84.
Mit Wirkung vom 01.01.03 wirst Du in die Position Teamleader (LI) Services (OPS), Tarifgruppe 5 versetzt. Dein Gehalt wird abermals um 5 % angepasst und beträgt mit Wirkung vom 01.01.2003 EUR 1.827,88.
…
Eine tatsächliche Ausübung der Funktion Teamleader (LI) ist zunächst nicht vorgesehen …”
Die Klägerin wurde zum 01.01.03 in die Position Teamleader (Gruppenleiter bei der Beklagten: Shiftleader) (LI) Services (OPS) versetzt und erhält seitdem Vergütung nach der Tarifgruppe 5. Ob sie die Aufgaben in der Folgezeit tatsächlich wahrgenommen hat, ist zwischen den Parteien streitig. Seit Juni 2005 ist die Klägerin für Aufgaben im Gesamtbetriebsrat in vollem Umfang von der Arbeitsleistung freigestellt.
Die Klägerin bemüht sich seit längerer Zeit um eine Erhöhung ihrer Arbeitszeit auf Vollzeit. Im Jahre 2006 schrieb die Beklagte im Service-Center C. vier in Vollzeit zu besetzende Stellen aus:
Die Bewerbungen der Klägerin blieben erfolglos. Die am 06.06.2006 ausgeschriebene Stelle besetzte die Beklagte zum 01.08.2006 mit dem Bewerber V.. Die am 02.02.2006 ausgeschriebene Stelle beabsichtigte sie, dem Bewerber
S. und...