Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung. Darlegungs- und Beweislast. Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber, der gegen den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (vgl. §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 2 BGB) dessen Unvermögen, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, einwenden will (vgl. § 297 BGB), kann den Beweiswert einer vom Arbeitnehmer vorgelegten ärztlichen Arbeitsfähigkeitsbescheinigung mit der Darlegung begründeter Zweifel an deren Richtigkeit erschüttern (im Anschluss an BAG 11.10.2006 – 5 AZR 755/06 – AP Nr. 9 zu § 5 EntgeltFG).

 

Normenkette

BGB §§ 297, 611 Abs. 1, § 615 S. 1; EntgeltFG

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Urteil vom 05.02.2009; Aktenzeichen 4 Ca 1437/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 05.02.2009 – 4 Ca 1437/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 06.02.1998 bei der Beklagten als Karosseriebauer zu einem Bruttolohn von zuletzt monatlich 3.158,66 EUR beschäftigt. Er hat einen Grad der Behinderung von 40 und ist laut Bescheid der Agentur für Arbeit Essen vom 07.05.2007 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Der Kläger war im Zeitraum vom 14.12.2006 bis zum 01.06.2008 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Ausweislich des ärztlichen Attestes von Dr. med. T., Facharzt für Psychiatrie und Nervenheilkunde, Psychotherapie befindet sich der Kläger seit dem 12.01.2007 in ambulanter Behandlung der Gemeinschaftspraxis Dr. med. S. T. und Dr. med. L. I.. Gemäß dem ärztlichen Attest von Frau Dr. G. L., Fachärztin für Psychiatrie – Psychotherapie – vom 26.09.2008 befindet sich der Kläger seit dem 22.01.2007 in ihrer regelmäßigen psychotherapeutischen Behandlung.

Der Kläger erkrankte erneut am 02.06.2008 aufgrund einer kurzfristigen Ansteckung, wie es im Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 02.08.2008 an die gegnerischen Prozessbevollmächtigten heißt. Am 04.06.2008 bot er seine Arbeit der Beklagten an. Diese wies das Angebot durch ihren Geschäftsführer, Herrn L., zurück.

Mit Schreiben vom 29.05.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis in Unkenntnis von dessen Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen ohne Zustimmung des Integrationsamtes ordentlich zum 30.09.2008. Hiergegen erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Oberhausen – 3 Ca 1060/08 – Kündigungsschutzklage. Nachdem die Beklagte durch Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.06.2008 gegenüber dem Arbeitsgericht Oberhausen die Rücknahme der Kündigung erklärt hatte, nahm der Kläger seine Kündigungsschutzklage zurück.

Unter dem 09.07.2008 schrieben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten an die gegnerischen Prozessbevollmächtigten, der Kläger habe telefonisch am 07.07.2008 mitgeteilt, dass er derzeit arbeitsunfähig krank sei, und zwar bis einschließlich 09.07.2008. In diesem Schreiben stellten sie den Kläger namens ihrer Mandantin "erneut von der Arbeitsleistung unter Anrechnung von etwaigen Urlaubsansprüchen frei." Sie wiesen darauf hin, der Kläger würde, sofern er wieder zur Arbeit erscheinen werde, des Betriebes verwiesen werden. Mit Schreiben vom 21.07.2008, persönlich an den Kläger gerichtet, forderten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten diesen auf, mit der beigefügte Schweigepflichtentbindungserklärung den behandelnden Arzt, der ihn bis zum 01.06.2008 dauernd arbeitsunfähig krankgeschrieben habe, von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden. Außerdem wiesen sie darauf hin, dass ihre Mandantin aus Gründen der Arbeitssicherheit die Arbeitsfähigkeit des Klägers durch einen Betriebsarzt überprüfen lassen möchte.

Auf beide Schreiben antworteten die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 02.08.2008. Hierauf erwiderten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten schriftlich am 19.08.2008 und fragten an, ob der Kläger im Hinblick auf seine psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung bereit sei, den ärztlichen Dienst mit der Untersuchung der Arbeitsfähigkeit zu beauftragen. Einen Tag zuvor, am 18.08.2008, entband der Kläger schriftlich die ihn behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht.

Mit Bescheid vom 24.10.2008 wies der Landschaftsverband Rheinland den Antrag der Beklagten vom 17.06.2008 auf Zustimmung zur Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses (vgl. § 85 SGB IX) zurück. Den hiergegen seitens der Beklagten eingelegten Widerspruch wies der Landschaftsverband Rheinland mit Bescheid vom 27.05.2009 zurück.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Oberhausen am 21.08.2008 eingegangenen und der Beklagten am 02.09.2008 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst das Arbeitsentgelt für Juni und Juli 2008 geltend gemacht. Mit einem am 03.12.2008 bei diesem Gericht eingereichten Schriftsatz hat der Kläger zunächst mitgeteilt, im Hinblick auf die Zahlung des Entgelts für Juni 2008, würde der mit der Klage geltend gemachte Betrag für Juli und August 2008 verlangt. Zugleich hat der Kläger seine Entgel...

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