Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des wissenschaftlichen Personals i.S. von § 1 Abs. 1 S. 2 WissZeitVG
Leitsatz (amtlich)
Eine Zuordnung zum wissenschaftlichen Personal im Sinne des WissZeitVG in der Fassung vor der Änderung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vom 11. März 2016 (BGBl.I S. 442) setzt nicht voraus, dass die Beschäftigung dem Hervorbringen eigener Forschungsergebnisse dient (Anschluss an BAG 29.04.2015 - 7 AZR 519/13 -). Die genannte Novellierung hat auf bestehende Befristungen keinen Einfluss.
Normenkette
WissZeitVG § 2
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 14.04.2016; Aktenzeichen 1 Ca 3012/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 14.04.2016 - 1 Ca 3012/15 - abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.
Der Kläger, der im Jahr 2010 seine Promotion fertiggestellt hat, ist bei der beklagten Universität seit April 2011 als Lehrkraft für besondere Aufgaben im Umfang von 50 % der regulären Arbeitszeit angestellt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildet der Arbeitsvertrag vom 21.03.2011 (Blatt 11 f. der Akte). Danach ist das Arbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG bis zum 31.03.2016 befristet. Nach der für den Kläger geltenden Arbeitsplatzbeschreibung vom 09.03.2011 (Blatt 13 ff. der Akte) waren ihm die folgenden Tätigkeiten übertragen:
Tätigkeiten |
Zeitanteil in % |
Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen in der Arbeitsgruppe "Grundschulforschung mit einem Lehrdeputat von 6,5 SWS |
65 % |
Prüfungsdienstleistungen |
15 % |
Wissenschaftliche Weiterqualifikation |
10 % |
Studien- und Prüfungsberatung von Studierenden |
7 % |
Erledigung von Aufgaben im Rahmen der akademischen Selbstverwaltung |
3 % |
Mit seiner am 05.11.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht. Bei den von ihm durchgeführten Lehrveranstaltungen habe es sich um ausschließlich wissensvermittelnde Lehrtätigkeit ohne Wissenschaftsbezug gehandelt. In den Lehrveranstaltungen, wegen deren Einzelheiten auf den Schriftsatz des Klägers vom 05.11.2015 (Blatt 19 ff. der Akte) verwiesen wird, sei es nicht um die Gewinnung neuer Erkenntnisse in der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin gegangen. Vielmehr sei deren Gegenstand der Transfer bestehender Erkenntnisse auf die Schulpraxis gewesen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund Befristung mit Ablauf des 31. März 2016 aufgelöst wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich darauf berufen, der Kläger habe in der Lehrerbildung wissenschaftlich-akademische Lehrveranstaltungen durchgeführt.
Mit Urteil vom 14.04.2016 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund Befristung mit Ablauf des 31.03.2016 aufgelöst wird. Es hat angenommen, die Befristung sei nicht nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG gerechtfertigt, da der Kläger nicht zum in § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG genannten wissenschaftlichen Personal gehöre. Seiner Tätigkeit mangele es am wissenschaftlichen Zuschnitt, da sie ihm nicht eigenverantwortlich neue Erkenntnisse einbringe und seine eigene Qualifikation nicht fördere. Der Kläger führe die Studenten in den bestehenden wissenschaftlichen Forschungsstand ein. Damit gebe er lediglich vorhandenes Wissen weiter.
Gegen das ihr am 10.05.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 31.05.2016 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.07.2016 - mit einem an diesem Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Zur Begründung ihrer Berufung führt sie aus, nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei für das Vorliegen einer wissenschaftlichen Tätigkeit entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ausreichend, dass der Lehrende wissenschaftliche Erkenntnisse Dritter vermittele. Sie beruft sich darauf, zur Vor- und Nachbereitung der Lehrveranstaltungen habe sich der Kläger mit umfangreicher Literatur auseinandergesetzt, um den Studenten den aktuellen Forschungsstand zu vermitteln. Dass es sich nicht lediglich um Unterricht handele, folge bereits daraus, dass dem Kläger 65 % seiner Arbeitszeit zur Verfügung stünden, um ein Lehrdeputat von 6,5 Semesterwochenstunden zu bestreiten. Auch habe zwischen seinen Lehrveranstaltungen und seinen Forschungsaktivitäten ein Zusammenhang bestanden. Für eine Zuordnung zum wissenschaftlichen Personal spreche zudem, dass der Kläger ausweislich der Arbeitsplatzbeschreibung in die Funktionsgruppe Arbeitsgemeinschaft Grundschulforschung eingegliedert und damit Teil eines forschenden Teams sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 14.04.2016 - 1 Ca 3012/15 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
D...