Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit von Befristungen nach dem HRG 2002. Zulässigkeit der rückwirkenden Heilung der unwirksamen Befristung nach dem HdaVÄndG vom 27.12.2004, Verstoß gegen die EU-Diskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG. Weiterbeschäftigung
Leitsatz (amtlich)
1. Aufgrund der Entscheidung des BVerfG vom 27.07.2004 – 2 BvF 2/02 – sind arbeitsvertragliche Befristungen nach dem Hochschulrahmengesetz unwirksam; sie sind nicht nach § 14 Abs. 1 TzBfG wirksam.
2. Die unwirksamen Befristungen sind rückwirkend nach § 57 f Abs. 1 HdaVÄndG vom 27.12.2004 (BGBl I 3835) wirksam geworden; verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht (im Anschluss an LAG Düsseldorf Urteile vom 06.06.2005 – 10 Sa 100/05 und 152/05)
3. Eine innerbetriebliche Weisung, dass eine befristete Beschäftigung im Bereich des wissenschaftlichen Mittelbaus (Haushaltsstellen und Drittmittel) bis zum 40. Geburtstag des Wissenschaftlers/der Wissenschaftlerin beendet sein muss, verstößt gegen die EU-Diskriminierungsrichtlinie 2000/78 EG; sie ist durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt. Der Arbeitnehmer kann mit dieser Begründung nicht die Unwirksamkeit der Befristung oder seine Weiterbeschäftigung verlangen.
4. Im Hochschulbereich ist „anderer Teil” i.S.d. § 625 BGB nicht der Institutsleiter oder ein sonstiger Vorgesetzter des Arbeitnehmers, sondern allein die für die Universität zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigte Stelle (ständige Rechtsprechung des BAG; statt aller BAG Urteil v. 21.02.2001 – 7 AZR 98/00, EzA § 1 BeschFG 1985 Nr. 24).
Normenkette
HdaVÄndG § 57b Abs. 1 S. 2 Fassung: 27.Dezember 2004, § 57f Abs. 1 Fassung: 27. Dezember 2004; HRG § 57f Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 1; EU-Diskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG; BGB § 625
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 08.07.2005; Aktenzeichen 12 Ca 1955/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom08.07.2005 – 12 Ca 1955/05 – wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Grund der zwischen den Parteien Ende September 2003 zum 01.10.2003 bis zum 28.02.2005 vereinbarten Befristung.
Die 51 Jahre alte Klägerin ist Philologin. Sie wurde nach dem Studium auf der Grundlage unterschiedlicher befristeter Arbeitsverträge seit dem 16.03.1983 in verschiedenen Zeiträumen von dem beklagten Land als Aushilfe bzw. Vertreterin des bisherigen Stelleninhabers bzw. wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beschäftigt.
Der letzte, Ende September 2003 abgeschlossene Arbeitsvertrag war auf die Zeit vom 01.10.2003 bis zum 28.02.2005 befristet. Nach § 2 dieses Vertrages bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des BAT und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen; die Klägerin war als Halbtagskraft in die Vergütung BAT II a eingruppiert. Zur Befristung war in dem Arbeitsvertrag bestimmt, dass die Klägerin ab 01.10.2003 „auf bestimmte Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin nach § 57 a ff. HRG in der Fassung vom 08.08.2002 nach § 57 f Abs. 2 Satz 1 vor Abschluss der Promotion für die Zeit bis zum 28.02.2005” weiterbeschäftigt wird. Außerdem wurde vertraglich § 625 BGB ausgeschlossen.
Kurz vor Ablauf dieses befristeten Arbeitsvertrages und danach bemühten sich ohne Erfolg mehrere Professoren um eine Weiterbeschäftigung der Klägerin.
Die Klägerin arbeitete auch nach dem 28.02.2005 weiter, indem sie Klausuren korrigierte und u. a. E-Mails verschickte und Telefongespräche führte. Das Akademische Auslandsamt der Universität bat die Klägerin als SOKRATES/ERASMUS-Beauftragte unter dem 11.03.2005, ein Formblatt über beabsichtigte Studierenden- und Dozentenmobilitäten auszufüllen und bis zum 30.03.2005 an das Akademische Auslandsamt zurückzusenden. Außerdem bot ihr der Rektor der Universität an, im Sommersemester 2005 im Rahmen eines vergüteten Lehrauftrages 2 Semesterwochenstunden zu geben.
Mit ihrer beim Arbeitsgericht am 21.03.2005 eingereichten und dem beklagten Land am 05.04.2005 zugestellten Klage macht die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 27.07.2004 – 2 BvF 2/02, NJW 2004, 2803, 2811 geltend. Sie meint, es liege auch kein Befristungsgrund nach dem TzBfG und SR 2 y BAT vor; zudem sei die Kündigung deshalb unwirksam, weil sie über den 28.02.2005 weiterbeschäftigt wurde.
Sie trägt ergänzend vor, Hintergrund der Befristung seien die internen, vom Rektorat am 13.01.2005 beschlossenen Stellenbewirtschaftungsgrundsätze, nach denen alle wissenschaftlichen Mitarbeiter unabhängig von ihrer Beschäftigungsdauer, wenn sie das 40. Lebensjahr überschritten haben, üblicherweise keine Verlängerung ihrer Verträge erhalten (Bl. 58-61 GA); diese Grundsätze seien diskriminierend und verstießen gegen die EU-Diskriminierungsrichtlinie 2000/78 EG.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt...