Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Der Urlaubsanspruch ist nicht auf das Ende des Kalenderjahres oder des dreimonatigen Übertragungszeitraums „befristet”. Das folgt aus BUrlG, ILO-Convention 132 sowie europäischem Unionsrecht, das den Arbeitgeber verpflichtet, die tatsächliche Verwirklichung des Urlaubsanspruchs zu ermöglichen, und dem Arbeitnehmer nicht – zur Vermeidung von Anspruchsverlust – die Stellung eines „Urlaubsantrags” oder besondere Schritte zur gerichtlichen Durchsetzung des Urlaubsanspruchs zumutet.
2. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verjährt in drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des jeweiligen Kalenderjahres. Der laufenden Verjährung unterliegt auch der (im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Naturalanspruch ersetzende) Abgeltungsanspruch.
Normenkette
BUrlG § 7; BGB §§ 195, § 199 ff.; EGRL 2003/88 Art. 7; ILO-Convention 132 Art. 9; EU-Grundrechte-Charta Art. 31 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Krefeld (Urteil vom 08.12.2010; Aktenzeichen 3 Ca 775/10) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 08.12.2010 teilweise abgeändert und die Klage in Höhe von 1.821,66 EUR brutto (nebst Zinsen) abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006, 2007 und 2008.
Die Klägerin trat zum 01.11.1987 als zahnmedizinische Fachangestellte in die Dienste des Rechtsvorgängers des Beklagten. Nach § 5 des Arbeitsvertrages vom 30.10.1987 hatte sie „Anspruch auf Gewährung eines Jahresurlaubs von 30 Werktagen”. Tatsächlich erhielt sie regelmäßig mindestens 6 Wochen Urlaub pro Jahr. Als Teilzeitkraft in der 5-Tage-Woche tätig, bezog die Klägerin zuletzt ein Monatsgehalt von EUR 1.315,64 brutto.
Vom 21.03.2006 an war die Klägerin fortdauernd arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 28.12.2009 bewilligte die DRV Bund ihr Rente wegen dauerhafter Erwerbsminderung mit Wirkung ab 01.09.2008. Die Parteien kamen anschließend überein, das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2008 aufzuheben.
Anfang Februar 2010 machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten schriftlich den Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006 bis 2008 geltend. Unter dem 22.02.2010 wies der Beklagte die Forderung zurück und berief sich auf Verwirkung und Verjährung.
Mit der Ende März 2010 vor dem Arbeitsgericht Krefeld erhobenen Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Abgeltung von jährlich 30 Tagen Urlaub für 3 Jahre in Höhe von insgesamt EUR 5.464,98 brutto in Anspruch genommen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 08.12.2010 der Klage stattgegeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift der Beklagte das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, unter Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens an. Er meint, dass ein langzeiterkrankter Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs und noch weniger auf Abgeltung des vertraglichen Mehrurlaubs habe. Die gesamten Urlaubsansprüche der Klägerin seien gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen, der Anspruch für das Jahr 2006 überdies verjährt.
Der Beklagte beantragt die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Abweisung der Klage. Die Klägerin verteidigt das Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung hat teilweise Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht der Klägerin Urlaubsabgeltung für die Jahre 2007 und 2008 zugesprochen. Hingegen ist der Anspruch der Klägerin auf Abgeltung des Urlaubs 2006 verjährt, so dass die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils in Höhe von EUR 1.821,66 brutto abzuweisen ist.
1. Die Klägerin hat für die Jahre 2006, 2007 und 2008 Anspruch auf vollen Jahresurlaub erworben.
a) Nach § 1, § 3 Abs. 1, § 4 BUrlG, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 4 ILO-Convention 132 sowie Art. 7 Abs. 1 EGRL 2003/88 steht dem Arbeitnehmer Urlaub nicht nur für die Zeiten zu, in denen er seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt hat, sondern auch für Zeiten seiner krankheitsbedingten Arbeitsversäumnis. Da die Klägerin aus Krankheitsgründen an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert war, braucht an dieser Stelle nicht vertieft zu werden, ob unentschuldigte und vom Arbeitnehmer selbst gewollte Ausfallzeiten anspruchsbegründend sind.
b) Der Klägerin steht gemäß § 4 BUrlG Urlaub für das Jahr 2008 in voller Höhe selbst dann zu, wenn man von einer wirksam vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2008 ausgeht (BAG 17.12.2009 – 6 AZR 242/09 – Rn. 19). Zwar entsteht nach Art. 4 Abs. 1 ILO-Convention 132 der Urlaubsanspruch nur zeitanteilig, so dass der volle Urlaubsanspruch erst zum Ablauf des Dienstjahres erworben wird. Unabhäng...