Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Ausscheidensklausel in Versorgungszusage. Begriff des Ausscheidens als rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Auslegung einer Ausscheidensklausel in einer Versorgungszusage, die hier dahin zu verstehen ist, dass mit dem "Ausscheiden aus den Diensten der Kammer" die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemeint ist. Alleine die Wahl des Wortes "Ausscheiden" im Zusammenhang mit den Tatbestandsvoraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung begründet in der hier auszulegenden Versorgungsordnung noch keine Zweifel i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB, ob das tatsächliche oder rechtliche Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gemeint ist.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 305, 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1; SGB V § 48; SGB VI § 102 Abs. 2; SGB IX § 175; ZPO §§ 264, 520 Abs. 3, § 705; TVöD-VKA § 33 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Entscheidung vom 03.12.2021; Aktenzeichen 4 Ca 1844/21)

ArbG Essen (Entscheidung vom 24.03.2021; Aktenzeichen 5 Ca 1782/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.10.2023; Aktenzeichen 3 AZR 250/22)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 03.12.2021 - 4 Ca 1844/21 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Zahlung einer Betriebsrente.

Der am 14.12.1962 geborene Kläger, der als schwerbehinderter Mensch anerkannt war, war seit dem 01.08.1979 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellter mit einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 5.772,19 Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der TVöD-VKA Anwendung. Die Beklagte gewährte ihren Mitarbeitern eine Zusatzversorgung nach der vom dem damaligen Präsidenten und Hauptgeschäftsführer der Beklagten erlassenen Zusatzversorgungsordnung der IHK für Essen, Mülheim a. d. R., Oberhausen zu F. vom 01.12.1981 (im Folgenden: ZVO). In der ZVO hieß es u.a.:

"…

§ 1

Geltungsbereich

1) Die Industrie- und Handelskammer für Essen, Mülheim a. d. R., Oberhausen zu F. gewährt ihren langjährigen Mitarbeitern eine Zusatzversorgung, wenn die Voraussetzungen dieser Zusatzversorgung erfüllt sind.

§ 2

Erteilung der Versorgungszusage

1) Versorgungsleistungen (§ 3) werden gewährt, wenn der Mitarbeiter bei Eintritt des Versorgungsfalles

a) das 35. Lebensjahr vollendet hat, und

b) mindestens 10 Jahre ununterbrochen bei der Kammer beschäftigt war (Wartezeit).

§ 3

Leistungsarten

Es werden folgende Leistungen gewährt:

a) Altersruhegeld

b) Ruhegeld bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit

c) Sterbegeld

d) Witwengeld/Witwergeld

e) Waisengeld

§ 7

Ruhegeld

1) Ruhegeld erhalten Versorgungsberechtigte Mitarbeiter, die wegen Erreichung der Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres) aus dem Dienst der Kammer ausscheiden.

2) Ein versorgungsberechtigter Mitarbeiter, der das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor Vollendung seines 65. Lebensjahres in Anspruch nimmt (flexible Altersgrenze) - … -, kann vom gleichen Zeitpunkt an Ruhegeld beantragen.

3) Die Leistungen nach Abs. 2 werden eingestellt, wenn das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegfällt. Der ausgeschiedene Mitarbeiter ist verpflichtet, die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit, die zu einem Wegfall des Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung führt, der Kammer unverzüglich anzuzeigen.

4) Ruhegeld erhält auch der versorgungsberechtigte Mitarbeiter, der wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und aus den Diensten der Kammer ausscheidet.

5) Ruhegeld wird erstmalig für den Monat gewährt, für den nach dem Ausscheiden aus dem Dienst der Kammer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wird. Der Anspruch auf Ruhegeld entfällt mit Ablauf des Monats, in dem der Berechtigte stirbt.

§ 14

Anrechnung von Tätigkeitseinkünften

1) Hat der Versorgungsberechtigte Einkünfte aus einer nach seinem Ausscheiden, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahres ausgeübten selbständigen oder nicht selbständigen Tätigkeit, und übersteigen diese Einkünfte zusammen mit dem Ruhegeld das der Ruhegeldberechnung zugrunde liegende versorgungsfähige Entgelt, so werden zwei Drittel des übersteigenden Betrages auf das Ruhegeld angerechnet.

§ 16

Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles

Scheidet ein Mitarbeiter aus dem Beschäftigungsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles aus und hat er die Voraussetzungen des § 1 Betriebsrentengesetz erfüllt, so behält er eine unverfallbare Anwartschaft gegenüber der Kammer nach § 2 Betriebsrentengesetz.

…"

Die Beklagte hatte dem Kläger in den Jahren 2004/2005 für die Zeit, in welcher dieser eine befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezog, ohne dass sein Arbeitsverhältnis beendet war, eine Betriebsrente nach der ZVO gezahlt. Seit dem 01.11.2020 bezog der Kläger gemäß dem Bescheid der gesetzlichen Rentenversicherung vom...

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