Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrecht bei Änderung der Entlohnungsgrundsätze, billiges Ermessen bei Reduzierung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine zur Ermittlung der Provisionshöhe verwandte feststehende Bezugsgröße – hier: Bildung eines Mittelwertes aus dem Minimum und Maximum einer für den Mitarbeiter geltenden firmeninternen Gehaltsgruppe – durch eine andere Bezugsgröße – hier: Mittelwert aus dem Minimum und Maximium der für den Mitarbeiter geltenden Gehaltsgruppe eines später abgeschlossenen Firmentarifvertrages – ersetzt, stellt dies eine mitbestimmungspflichtige Änderung der Entlohnungsgrundsätze im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dar.
2. Die Änderung der vorgehend genannten Bezugsgröße entspricht nicht allein deshalb billigem Ermessen im Sinne des § 315 BGB, weil die – niedrigeren – Gehaltsgruppen eines später abgeschlossenen Firmentarifvertrages in Bezug genommen werden. Hierzu bedarf es vielmehr des Vorliegens sachlicher von dem Abschluß des Firmentarifvertrages unabhängiger Gründe, beispielsweise wirtschaftlicher Art.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10; BGB § 315
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 22.03.1995; Aktenzeichen 6 Ca 7892/94) |
Nachgehend
Tenor
1) Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.03.1995 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte sowohl materiell-rechtlich als auch ohne Zustimmung ihres Gesamtbetriebsrates berechtigt gewesen ist, zu Lasten des Klägers die von ihm verdienten Provisionen durch Änderung der Bezugsgrößen abzusenken.
Die Beklagte beschäftigt ca. 25 Außendienstmitarbeiter im Bereich des Verkaufs. Der Kläger ist einer von acht Mitarbeitern, die mit sogenannten Altverträgen beschäftigt werden, d.h. seit einer Zeit, zu der der im Jahre 1992 erstmals zwischen der Beklagten und der ÖTV ausgehandelte Firmentarifvertrag noch nicht bestand. Die Arbeitsbedingungen der übrigen Mitarbeiter richten sich nach diesem Firmentarifvertrag.
Der Kläger trat mit Anstellungsvertrag vom 28.06.1985 in die Dienste der Beklagten. Er bezieht eine Festvergütung von zur Zeit 8.568,– DM brutto sowie einen Bonus für getätigte Umsätze, der einen Anteil von ca. 35 %, teilweise mehr, an der gesamten Jahresvergütung des Klägers ausmacht.
Hierzu enthält § 14 b des Anstellungsvertrages folgende Regelung:
„Der Angestellte nimmt automatisch an allen zukünftigen Verkaufsprovisionsprogramm in Übereinstimmung mit den Gehaltsregelungen des Unternehmens teil.
Der Bonus wird ums atz abhängig gezahlt. Jeder Mitarbeiter erhält einen bestimmten Betrag als Sollumsatz vorgegeben”.
Die Beklagte berechnete diesen Bonus bis November 1994 wie folgt:
Bei Erreichung des jeweils jährlich vorgegebenen und sich ändernden Umsatzzieles von 100 % (Sollerfüllung) wurde in einer Bonustabelle (Pay Schedule) in der Spalte Total ein stets unveränderter Betrag von 7.637,– DM vorgegeben (vgl. die Tabelle Bl. 9 d. A.). Dieser Betrag wurde mit einer bestimmten Rechenformel aus einem sogenannten mid(controlle)point ermittelt, der wiederrum aus einem Mittelwert aus dem Minimum und Maximum der für den Mitarbeiter jeweils einschlägigen Gehaltsstrukturgruppe (Pay Strucutre) gebildet wurde.
Mit Abschluß des Haustarifvertrages 1992 ermittelt die Beklagte den Betrag in der Spalte Total der Bonustabelle mit der gleichen Rechenformel wiederum aus einem sogenannten midpoint, der jedoch nunmehr aus der Minimal- und Maximal Vergütung der für den Kläger maßgeblichen Tarifgruppe 6 des Haustarifvertrages gebildet wird. Dies hat zur Folge, daß sich der Betrag in der Spalte Total der Bonustabelle auf 6.392,98 DM (statt bisher 7.637,– DM) bei einer Umsatzsollerfüllung von 100 % reduziert, weil der Gehaltsrahmen der für den Kläger einschlägigen Tarifgruppe 6 im Gegensatz zu der bei der Beklagten bisher verwandten Gehaltsstrukturgruppe geringer ist.
Die Beklagte rechtfertigt die vorgenommene Absenkung damit, daß sie automatische Folge der zum 01.06.1992 vereinbarten Änderung des Gehaltsniveaus durch Abschluß des Firmentarifvertrages mit der ÖTV sei; die in diesem Tarifvertrag vorgesehene Absenkung des Gehaltsniveaus sei durch ihre wirtschaftliche Lage bedingt gewesen. Daß die Absenkung gegenüber dem Kläger nicht schon 1992 erfolgt sei, beruhe auf einem Irrtum ihrer europäischen Zentrale in Brüssel, der mit Wirkung zum Dezember 1994 korrigiert worden sei.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß die vorgenommene Änderung unbillig sei, darüber hinaus sei sie unwirksam, da der Gesamtbetriebsrat dieser Änderung nicht zugestimmt habe.
Er hat beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, für die Berechnung der vertraglich geschuldeten Boni-Zahlungen auch nach dem 30.11.1994 die bislang gültige Tabelle (Anfangswert 96 % entspricht 4.582,00 DM Entwert 175 % entspricht 22.834,00 DM) zugrunde zu legen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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