Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der fiktiven Anrechnung der gesetzlichen Höherversicherungsrente im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems. Zulässigkeit der Abänderung von im Wege der Gesamtzusage erteilten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung. Berechnung der die Betriebsrente begrenzenden Nettolohnobergrenze
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems ist es zulässig, die gesetzliche Höherversicherungsrente auch dann - fiktiv - zur Anrechnung zu bringen, wenn der Arbeitnehmer von der Möglichkeit einer zu mindestens 50% vom Arbeitgeber finanzierten Höherversicherung keinen Gebrauch gemacht hat.
2. Hingegen ist es nicht zulässig, die fiktive Höherversicherungsrente auch noch für Zeiten nach dem 31.12.1997 anzurechnen. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Höherversicherungsmöglichkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung endgültig abgeschafft.
3. Im Wege der Gesamtzusage erteilte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unterliegen üblicherweise der Abänderbarkeit durch eine Betriebsvereinbarung.
4. Wird eine Betriebsrente durch eine Nettolohnobergrenze gedeckelt, so kann die Berechnung der Nettolohnobergrenze durch eine die ursprüngliche Zusage (teilweise) ablösende Betriebsvereinbarung neu geregelt werden. Es findet dann das vom Bundesarbeitsgericht für Eingriffe in Versorgungsanwartschaften entwickelte dreistufige Prüfungsschema Anwendung.
5. Dienen die neuen Regelungen zur Berechnung der Nettolohnobergrenze der Beseitigung von Ungerechtigkeiten, indem sie zufällige Ergebnisse aufgrund individueller Besonderheiten (Kirchensteuerpflicht, gesetzliche oder private Krankenversicherung) beseitigt, so liegen die für Eingriffe in dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten erforderlichen sachlich-proportionalen Gründe vor.
Normenkette
BetrAVG §§ 1, 5 Abs. 2; SGB VI § 269 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.02.2017; Aktenzeichen 12 Ca 7819/15) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.02.2017 - AZ: 12 Ca 7819/15 - teilweise abgeändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine rückständige Betriebsrente für Januar bis Juni 2012 in Höhe von 1.206,60 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 804,40 EUR seit dem 16.04.2012 und aus jeweils 201,10 EUR seit dem 16.05. und 16.06.2012 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine rückständige Betriebsrente für Juli bis Dezember 2012 in Höhe von 1.206,54 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 201,09 EUR seit dem 16.07., 16.08., 16.09., 16.10, 16.11. und 16.12.2012 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine rückständige Betriebsrente für Januar bis Juni 2013 in Höhe von 1.206,36 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 201,06 EUR seit dem 16.01., 16.02., 16.03., 16.04., 16.05. und 16.06.2013 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine rückständige Betriebsrente für Juli bis Dezember 2013 in Höhe von 1.206,36 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 201,06 EUR seit dem 16.07., 16.08., 16.09., 16.10., 16.11. und 16.12.2013 zu zahlen.
II.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 85% und die Beklagte zu 15% zu tragen.
IV.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrentenansprüche.
Der am 07.10.1951 geborene Kläger wurde zum 01.01.1979 von der Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen für Städtebau, Wohnungswesen und Agrarordnung GmbH (im Folgenden LEG NRW) eingestellt. Die LEG NRW war im Jahr 1970 aus einem Zusammenschluss der Westfälisch - Lippische Heimstätte GmbH (im Folgenden: Heimstätte) mit drei weiteren Unternehmen hervorgegangen. Im Rahmen einer Aufspaltung ging das Arbeitsverhältnis zum 01.01.2004 auf die LEG Stadtentwicklung Service GmbH und von dieser am 25.09.2009 auf die Beklagte über.
Bei der Westfälisch - Lippische Heimstätte GmbH gab es Richtlinien für eine betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung in Form einer Gesamtversorgung. Daneben wurde am 17.07.1969 eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die unter Ziffer IV. eine Regelung "Zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung" beinhaltete. Darin war vorgesehen, dass der Arbeitgeber zu 2/3 Beiträge für eine Höherversicherung zur Rentenversicherung zu übernehmen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 752 ff. d.A. verwiesen. Unter dem Datum des 28.04.1970 schloss die Heimstätte mit ihrem Betriebsrat folgende Betriebsvereinbarung:
"... wird mit Rückwirkung zum 1. August 1969 folgende Änderung der Betriebsvereinbarung vom 17. Juli 1969 vereinbart
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