Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspäteter Eingang einer Vergleichs-Widerrufserklärung bei Gericht infolge eines Büroversehens
Leitsatz (amtlich)
Eine Prozeßpartei, der rechtzeitig innerhalb einer Vergleichswiderrufsfrist die verbindliche Erklärung ihres Prozeßgegners zugeht, daß von diesem der unter Vorbehalt abgeschlossene gerichtliche Vergleich nicht akzeptiert wird, verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn sie sich auf die Bestandskraft des Vergleichs beruft, der infolge eines Büroversehens (wegen falscher Adressierung) gegenüber dem Gericht nicht rechtzeitig widerrufen worden ist.
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 18.12.1996; Aktenzeichen 5 Ca 1522/96) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 18.12.1997 – 5 Ca 1522/96 – abgeändert und festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.09.1996 nicht aufgelöst worden ist.
Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Klägerin wurde von der Beklagten aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 25.03.1996 zum 01.04.1996 als Designerin gegen ein Monatsgehalt von 5.500,– DM brutto eingestellt.
Noch während der vertraglich vorgesehenen Probezeit von sechs Monaten kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.09.1996 fristgerecht zum 31.10.1996. Bei Ausspruch der Kündigung teilte die Klägerin der Beklagten mit, daß sie schwanger sei.
Da die Beklagte auf ihrer Kündigung während der Probezeit beharrte, hat die Klägerin mit der am 14.10.1996 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung unter Berufung auf das Kündigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz geltend gemacht und beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.09.1996 nicht aufgelöst worden ist.
Im Gütetermin vom 04.11.1996 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach – Gerichtstag Neuss – folgenden Vergleich:
- „Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis aufgrund einer fristgerechten, betriebsbedingten Kündigung am 31.10.1996 sein Ende gefunden hat.
- Die Beklagte zahlt als Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziffer 9 EStG einen Betrag von 4.000,00 DM brutto = netto.
- Die Parteien sind sich darüber einig, daß der Urlaubsanspruch der Klägerin erfüllt ist und ebenfalls auch eventuelle Ansprüche auf Überstundenabgeltung.
- Damit ist der Rechtsstreit – 5 Ca 1522/96 – erledigt.
- Die Parteien behalten sich den Widerruf dieses Vergleichs durch Einreichung eines Schriftsatzes beim Arbeitsgericht Mönchengladbach bis zum 18.11.1996 vor.”
Der vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin übermittelte Vergleichswiderruf ist beim Arbeitsgericht Mönchengladbach per Telefax am 20.11.1996 eingegangen.
Gleichzeitig hat dieser Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Vergleichswiderrufsfrist beantragt und zur Begründung vorgetragen: Er habe bereits mit Schreiben vom 07.11.1996 den Vergleich widerrufen. Dieses Schreiben sei an das Arbeitsgericht Mönchengladbach, Gerichtstag Neuss, Hammer Landstraße 3, 41460 Neuss adressiert gewesen. Am 20.11.1996 habe er dieses Schreiben mit dem Vermerk: „Empfänger unbekannt verzogen”, zurückerhalten.
Zur Glaubhaftmachung dieser Angaben hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin eine eidesstattliche Versicherung der bei ihm beschäftigten Rechtsanwalts- und Notargehilfin A. K. vom 11.12.1996 mit folgendem Inhalt zu den Akten gereicht:
„Ich habe das Originalschreiben vom 7. November 1996 mit dem der Widerrufsvergleich widerrufen wurde, geschrieben.
Das Schreiben habe ich adressiert an das Arbeitsgericht Mönchengladbach, Gerichtstag Neuss, Hammer Landstraße 3, 41460 Neuss.
Bei der Anschriftenwahl habe ich mich von der Terminsladung 15.10.1996 leiten lassen. Ich hatte seinerzeit bei Eingang der Gerichtsladung vom 15.10.1996 die Ladungsanschrift „Gerichtstag Neuss, Hammer Landstraße 3, 41460 Neuss” durch Textmarker kenntlich gemacht.
Die Durchschrift zu dem von mir gefertigten Schreiben vom 07.11.1996 habe ich in die betreffende Akte abgeheftet.
Das an den Gerichtstag Neuss adressierte Schreiben vom 07.11.1996 ist am 08.11.1996 hier zu Post aufgegeben worden.
Davon habe ich mich anhand des Postausgangsbuches überzeugt. Dort lautet die entsprechende Eintragung:
„8/11 ArbG Mönchengladbach C. ./. L. M. 2,–”.
Dem Schreiben vom 7. November 1996 habe ich die dem Gericht bekannte ärztliche Bescheinigung einer Schwangerschaft vom 15.12.1996 in Ablichtung zweifach beigefügt.
Die von mir beigefügte Ablichtung entspricht der uns seitens Frau C. mit Telefax-Schreiben vom 05.11.1996 übermittelten ärztlichen Bescheinigung.
Das per Telefax übermittelte Schreiben nebst der übermittelten ärztlichen Bescheinigung habe ich in die Akte abgeheftet.
Von mir ist in der von Frau C. zur Verfügung gestellten Ablichtung de...