Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Versorgungsordnung hinsichtlich der Erhöhung der zugesagten Betriebsrente. Voraussetzungen des Gebrauchmachens von einem Änderungsvorbehalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sieht eine Versorgungsordnung vor, dass sich die zugesagten Gesamtversorgungsbezüge jährlich entsprechend der Anpassung der gesetzlichen Renten erhöhen, sofern der Arbeitgeber keine hiervon abweichende Entscheidung trifft, so liegt ein Anspruch mit einem Änderungsvorbehalt vor. Ein solcher Vorbehalt kann grundsätzlich auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.

2. Die Auslegung der konkreten Versorgungsordnung ergibt, dass der Arbeitgeber von diesem Vorbehalt nur unter engen Voraussetzungen Gebrauch machen kann. Die Anpassung entsprechend der gesetzlichen Renten darf "nicht vertretbar" sein. Hierfür muss der Arbeitgeber darlegen, dass seine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihm eine Anpassung im eigentlich geschuldeten Umfang nicht ermöglicht (Abweichung vom Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22.02.2017 - 6 Sa 972/16 -).

3. Begehrt ein Arbeitnehmer eine Anpassung seiner Betriebsrente gemäß § 16 BetrAVG zu einem falschen Anpassungsstichtag, so darf die Anpassung zum richtigen Anpassungsstichtag nicht von Amts wegen geprüft werden. Hierin läge ein Verstoß gegen § 308 ZPO, da die Anpassungsprüfung zu einem anderen Stichtag einen neuen Streitgegenstand beinhaltet.

 

Normenkette

BetrAVG § 16

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.11.2016; Aktenzeichen 11 Ca 4353/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.11.2019; Aktenzeichen 3 AZR 613/17)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers sowie die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.11.2016 - 11 Ca 4353/16 - abgeändert.

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 01.10.2017 über den Betrag von 1.143,05 EUR brutto hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von 40,60 EUR brutto zu zahlen.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 143,40 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 11,95 EUR seit dem 02.07.2015, dem 04.08.2015, dem 02.09.2015, dem 02.10.2015, dem 03.11.2015, dem 02.12.2015, dem 05.01.2016, dem 02.02.2016, dem 02.03.2016, dem 02.04.2016, dem 03.05.2016 und dem 02.06.2016 zu zahlen.
    3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 324,80 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 40,60 EUR seit dem 02.07.2016, dem 02.08.2016, dem 02.09.2016, dem 05.10.2016, dem 02.11.2016, dem 02.12.2016, dem 03.01.2017 und dem 02.02.2017 zu zahlen.
    4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 284,20 EUR brutto zu zahlen.
    5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Die weitergehende Berufung des Klägers sowie die weitergehende Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 73 % und die Beklagte zu 27 % zu tragen.

  • IV.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Soweit der Kläger unterlegen ist, erfolgt keine Revisionszulassung.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Anpassung der Versorgungsbezüge des Klägers zum 01.07.2014, 01.07.2015 und 01.07.2016.

Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen H. Konzern eingebunden ist. Sie ist Rechtsnachfolgerin der W. Deutsche Lebensversicherung AG (im Folgenden: W.). Muttergesellschaft der Beklagten ist die H. Deutschland AG. Neben der Beklagten gibt es als weitere Versicherungsgesellschaft die H. Versicherung AG.

Der am 17.11.1939 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.05.1971 bis zum 30.09.1997 bei der W. beschäftigt. Seit dem 01.12.1999 bezog der Kläger von der W. eine Betriebsrente. Später hat die Beklagte diese Rentenzahlungen übernommen.

Der Kläger erhält zum einen Rentenleistungen aus einer konzerneigenen Versorgungskasse, die sog. VK-Altersrente. Daneben war ihm eine Altersversorgungszusage auf Basis eines im Wege einer Gesamtbetriebsvereinbarung vereinbarten Versorgungswerks als sog. Pensionsergänzung (im Folgenden: Vofue-Rente) erteilt worden. Diese "Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes" (im Folgenden BVW) setzen sich zusammen aus den "Grundbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks", den "Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks" (im Folgenden: BVW-A) und den "Übergangsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerks".

In den BVW heißt es u.a.:

"Grundbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes

§ 1 Zweck des Pensionsergänzungsfonds

Der Zweck des Pensionsergänzungsfonds ist, den anspruchsberechtigten Betriebsangehörigen bzw. ihren versorgungsberechtigten Hinterbliebenen eine Pensionsergänzung zu gewähren, sofern und solange die in den Ausführungsbestimmungen näher bezeichneten Leistungen der Sozialversicherung sowie anderer gesetzlicher Versorgungen und die Leistungen der Versorgungskasse zusammen die Gesamtversorgungsbezüge gemäß § 4 d...

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