Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Auskunftsklage bei fehlender Kenntnis von Wettbewerbsverstößen. Auskunftsanspruch während des Arbeitsverhältnisses auf Treu und Glauben. Kein Auskunftsanspruch bei fehlendem oder verjährtem Leistungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arbeitgeber, der davon erfährt, dass sein Arbeitnehmer versucht hat, einzelne Kunden abzuwerben, kann eine auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung und Schadensersatz gerichtete Stufenklage erheben, auch wenn er noch keine Kenntnis hat, ob und - wenn ja - mit welchen (weiteren) Kunden in welchem Umfang Verträge vermittelt oder abgeschlossen wurden.

2. Die dreimonatige Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 HGB beginnt bereits dann zu laufen, wenn der Arbeitgeber generell um die Vornahme verbotener Geschäfte, also dem "Geschäftemachten" für einen Wettbewerber oder dem Unterhalten eines eigenen Konkurrenzbetriebs durch den Arbeitnehmer, weiß.

 

Normenkette

ZPO §§ 254, 253; BGB § 823 Abs. 1-2; StGB §§ 263, 266; HGB § 61; ZPO § 260

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Entscheidung vom 06.09.2018; Aktenzeichen 4 Ca 488/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.11.2021; Aktenzeichen 8 AZR 226/20)

 

Tenor

  • I.

    Das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts vom 31.10.2019 wird aufrechterhalten.

  • II.

    Die Klägerin hat auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen einer Stufenklage u.a. über Auskunfts- und Schadensersatzansprüche wegen angeblicher Wettbewerbsverstöße.

Die Klägerin ist ein in P. ansässiges Unternehmen. Sie beschäftigt sich unter anderem mit dem Betreiben von Internetportalen, der Erbringung von Marketing- und Internetdienstleistungen, der Verwaltung von Kundenstämmen, dem Stadtmarketing im Internet, dem Vertrieb von Werbeplätzen, dem Erstellen von Webseiten und der Suchmaschinenoptimierung.

Einige Mitarbeiter der Klägerin verließen im Jahr 2017 das Unternehmen. Zwei der ehemaligen Mitarbeiterinnen gründeten als Gesellschafterinnen die Werbe h. GbR, welche sich ebenfalls mit dem Verkauf und der Erstellung von digitalen Werbeformen wie z. B. Werbeseiten, digitaler Werbung, Bewertung etc. beschäftigt.

Der Beklagte war in der Zeit vom 01.02.2011 bis zum 31.10.2017 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 01.02.2011 (Bl. 18 - 22 d.A.) als Medienberater bei der Klägerin tätig. Der Arbeitsvertrag enthält unter § 15 eine zweistufige Ausschlussfrist für "alle Ansprüche aus dem Vertrag".

Der Beklagte betreute u.a. den Kunden N. G., der bei der Klägerin ein so genanntes Marketing- & Kommunikationspaket gebucht hatte. Dieser kündigte mit Schreiben vom 15.05.2017 den Vertrag mit der Klägerin, setzte ihn allerdings später fort. Die weitere vom Beklagten betreute Kundin W. T. kündigte am 23.06.2017 den Vertrag mit der Begründung, sie habe einen anderen Betreuer gefunden. Die Kundin J. T.-L. kündigte ihren Vertrag mit der Klägerin mit Schreiben vom 15.11.2017. In einem an die Klägerin gerichteten E-Mail-Schreiben vom 15.01.2018, Bl. 59 d.A., das offenbar anknüpft an vorherige Gespräche, teilt die Kundin der Klägerin mit, dass sie Mitte Oktober 2017 von dem Beklagten angerufen worden sei. Der Beklagte habe ihr mitgeteilt, dass er sich "auf dem gleichen Gebiet" selbständig machen werde und die Tätigkeiten von dort weiterführen könne. Er habe auch anderen Kunden mitgeteilt, dass die Leistungen zukünftig von der Werbe h. GbR erbracht werden könnten.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.12.2017 ließ die Klägerin dem Beklagten mitteilen, sie habe Kenntnis davon erlangt, dass er noch während seiner Beschäftigungszeit "für die Werbe h. GbR handelnd" Verträge für diese akquiriert und abgeschlossen habe. Bei der Werbe h. GbR handele es sich um eine Konkurrentin. Konkret werden in dem Schreiben, für dessen Einzelheiten auf Bl. 28 ff. d. A. verwiesen wird, angebliche Vertragsschlüsse mit dem Kunden G. sowie ein Abwerbeversuch bezüglich der Kundin T. erwähnt.

Mit am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 06.04.2018 hat die Klägerin eine Stufenklage erhoben, gerichtet auf Auskunftserteilung, Versicherung an Eides Statt und Zahlung von Vergütung und Schadensersatz.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte ihr zur begehrten Auskunftserteilung und sodann zum Schadensersatz und zur Herausgabe von wettbewerbswidrig bezogener Vergütung verpflichtet sei. Sie hat behauptet, der Beklagte habe versucht, den Kunden G. sowie die Kundinnen T., T.-L. und M. für die Werbe h. GbR abzuwerben. Der Kunde G. habe ihr im Zusammenhang mit der begehrten Vertragsbeendigung mitgeteilt, dass der Beklagte ihm im Mai 2017 eine Kündigung unter der Maßgabe zugesichert habe, dass er mit der Werbe h. GbR einen neuen Vertrag schließe. Der Vertrag mit der Werbe h. GbR sei dann durch Gespräche mit dem Beklagten im September 2017 zustande gekommen. Auch die Kundin E. M. sei vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses abgeworben worden. Die Klägerin hat insoweit auf ein E-Mail-Schreiben ihrer Kundin vom 23.08...

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