Revision
Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Einmalzahlung. Anrechnung auf übertarifliche Zulage
Leitsatz (amtlich)
1. Eine anrechnungsfähige Tariferhöhung kann auch vorliegen, wenn die Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum keine prozentuale Erhöhung ihres Entgelts, sondern eine Pauschalzahlung erhalten (im Anschluss an BAG v. 21.01.2003, AP Nr. 118 zu § 67 BetrVG 1972 Lohngestaltung; BAG v. 14.08.2001, AP Nr. 4 zu § 77 BetrVG 1972).
2. Bei der Einmalzahlung in § 3 der Tarifvereinbarung für die Ziegelindustrie in NRW und im südlichen Teil Niedersachsens vom 03.06.2004 handelt es sich um eine solche anrechnungsfähige Tariflohnerhöhung. Ihre zeitliche Zuordnung und ihr Kompensationscharakter ergibt sich aus der 7-monatigen Verlängerung der Laufzeit des gekündigten Tarifvertrages und damit der unterbliebenen Anhebung der Tariflöhne für diesen Zeitraum.
Normenkette
TVG § 4; BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Urteil vom 09.02.2005; Aktenzeichen 2 Ca 4127/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wesel vom09.02.2005 – 2 Ca 4127/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
3. Streitwert: 294,– EUR.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Kläger von der Beklagten eine tarifvertraglich vorgesehene Einmalzahlung in Höhe von 294,– EUR brutto verlangen kann.
Der Kläger ist bei der Beklagten, welche ein Dachziegelwerk betreibt, seit dem 03.02.1982 als Betriebsschlosser beschäftigt. Beide Parteien sind kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebunden. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Ziegelindustrie im Lande Nordrhein-Westfalen und im südlichen Niedersachsen Anwendung. Der Kläger erhält einen Bruttostundenlohn von 13,33 EUR, während der Tarifvertrag einen Stundenlohn von 12,92 EUR brutto vorsieht. In den monatlichen Lohnbescheinigungen wird von der Beklagten seit 1999 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem den Tariflohn übersteigenden Betrag um eine freiwillige übertarifliche Zulage handelt. Nachdem der Lohntarifvertrag vom 27.06.2003 Lohnerhöhungen vorgesehen hatte und gem. § 4 erstmals zum 28.02.2004 gekündigt werden konnte, lautet es in der Tarifvereinbarung vom 03.06.2004 (im Folgenden: TV) wie folgt:
„Lohn- und Gehaltstarifvertrag vom 27.06.2003
§ 2
Die Laufzeit der Tarifverträge verlängert sich bis zum 30.09.2004.
Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen bleiben unverändert.
§ 3
Einmalzahlung
Alle gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten erhalten eine Einmalzahlung in Höhe von 294,– EUR brutto.
Diese wird in 2 Raten zu jeweils 147,– EUR mit der Juli- und der Augustabrechnung ausgezahlt.
Teilzeitbeschäftigte erhalten die Einmalzahlung in der Höhe, die dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit zur tariflich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit entspricht.
§ 4
Laufzeit und Kündigung
Die Vereinbarung tritt am 1. März 2004 in Kraft. Sie kann mit einer Frist von 1 Monat zum Monatsende, erstmals zum 30.09.2004, gekündigt werden.”
Die Beklagte lehnt eine Weitergabe der Einmalzahlung von 294,– EUR brutto an den Kläger ab und macht eine Anrechnung der übertariflichen Zulage geltend. Sie hat für den Zeitraum vom 01.03. bis 30.09.2004 die Einmalzahlung von 294,– EUR auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von 164,66 Stunden umgerechnet und bei ermittelten 1.152,67 Stunden eine Tariflohnerhöhung von 0,25 EUR brutto pro Stunde ermittelt, welcher sie die übertarifliche Zulage von 0,41 EUR brutto pro Stunde gegenübergestellt und auf diese angerechnet hat. Eine Anhörung des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats ist nicht erfolgt, da nach Auffassung der Beklagten ein Mitbestimmungsrecht nicht besteht. Unter dem 07.09.2004 erfolgte eine schriftliche Geltendmachung der Einmalzahlung durch den Kläger.
Mit der am 27.10.2004 bei dem Arbeitsgericht Wesel eingegangenen Zahlungsklage hat der Kläger die Auffassung vertreten, ein Recht zur Anrechnung stehe der Beklagten nicht zu, insbesondere stelle sich die Einmalzahlung nicht als pauschale Tariflohnerhöhung dar. Überdies ermangele es an der wirksamen Vereinbarung eines Anrechnungsrechtes der Beklagten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, 294,– EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31.08.2004 an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, bei dem Betrag von 294,– EUR handele es sich um eine Tariflohnerhöhung nicht durch prozentuale Entgelterhöhung, sondern durch Einmalzahlung, was ihr ein Anrechnungsrecht auf die übertarifliche Zulage eröffne. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe im Hinblick auf die Vollständigkeit der Verrechnung nicht.
Durch Urteil vom 09.02.2005, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage kostenpflichtig abgewiesen, den Streitwert auf 294,– EUR festgesetzt und die Berufung für den Kläger zugelassen. Zur Begründung hat das ...