Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerweiterbildung und Jedermannzugänglichkeit
Leitsatz (amtlich)
Nach § 9 Satz 1 AWbG NW i.V.m. § 2 Abs. 4 WbG NW ist eine von einer Einrichtung der IG-Metall durchgeführte Arbeitnehmerweiterbildungsveranstaltung nicht mehr „für jedermann” zugänglich, wenn damit geworben wird, daß die Kosten der Teilnahme für IG-Metall-Mitglieder von der IG-Metall übernommen werden, während sonstige Teilnehmer einen täglichen Kostenbeitrag von mehr als 100,– DM leisten müssen.
Normenkette
AWbG NW § 1 Abs. 2, § 9 S. 1; WbG NW § 2 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Urteil vom 07.11.1995; Aktenzeichen 8 Ca 3512/95) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 07.11.1995 – 8 Ca 3510/95 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 1989,45 DM brutto in Anspruch. Insoweit streiten die Parteien darüber, ob dem Kläger in dieser Höhe ein Entgeltfortzahlungsanspruch auf der Grundlage des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes NW (AWbG) zusteht.
Der am 16.08.1948 geborene Kläger ist Mitglied der IG-Metall und steht seit dem 01.08.1972 als Vorarbeiter gegen 4.300,00 DM brutto monatlich in den Diensten der Beklagten, die ca. 1800 Arbeitnehmer beschäftigt. In der Zeit vom 03.04. bis zum 13.04.1995 nahm der Kläger im Bildungszentrum S. an einem von der IG-Metall durchgeführten Seminar mit dem Titel „Arbeitnehmer/-innen in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft II” teil. Dieses Seminar ist neben anderen Seminaren vom Kultusminister des Landes NW nach § 9 d AWbG anerkannt. Das Bildungszentrum S. der IG-Metall ist als Träger der Arbeitnehmerweiterbildung ebenfalls anerkannt.
Auf das Bildungsprogramm 1995 der IG-Metall wurde durch eine Anzeige in der W. Z. vom 04.03.1995 hingewiesen, worin es in der Einleitung heißt:
„Teilnahmemöglichkeiten nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz
Die Seminare sind für jedermann zugänglich, auch dann, wenn sich die Inhalte an den Interessen bestimmter Zielgruppen oder an den Verhältnissen in der Metallwirtschaft orientieren.
Für die Teilnahme wird ein Kostenbeitrag für Unterkunft und Verpflegung erhoben.
Für die Mitglieder der IG-Metall werden die Kosten übernommen, soweit keine Erstattung nach dem Betriebsverfassungsgesetz (§ 37 Abs. 6 und 7 BetrVG) oder nach dem Schwerbehindertengesetz (§ 26 Abs. 4 SchwbG) durch den Arbeitgeber erfolgt.”
Der Bildungsbeauftragte der IG-Metall im Betriebsrat machte durch Aushang am „Schwarzen Brett” im Betrieb der Beklagten Anfang des Jahres 1995 auf die Bildungsseminare der IG-Metall für das Jahr 1995 aufmerksam.
Soweit es um den vorbeschriebenen Seminartyp geht, enthält die Seminarankündigung einen Hinweis folgenden Inhalts:
„Die Teilnehmer/-innen sollen durch die Vermittlung wirtschaftlicher, arbeitsrechtlicher und gesellschaftlicher Kenntnisse befähigt werden, ihre Arbeit als Interessenvertreter/-innen noch erfolgreicher zu gestalten. Sie sollen mit Arbeitstechniken vertraut gemacht werden, die ihre Argumentations- und Handlungsfähigkeit verbessern. Außerdem sollen sie das Auf und Ab des Konjunkturverlaufes mit seinen Auswirkungen kennenlernen und mit Informationen ausgestattet werden, die es ihnen erlauben, wirtschaftliche Sachverhalte und Entwicklungen zu analysieren.
Die Seminarteilnehmer/-innen sollen die Funktion der Gesetzgebung, der Gesetze und der Rechtsprechung sowie Sinn und Zweck wichtiger Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, weiterer Gesetze und der Tarifverträge kennenlernen. Auch sollen sie sich Kenntnisse über Aufgaben und Aufbau betrieblicher und gewerkschaftlicher Interessenvertretung aneignen und in die Lage versetzt werden, zu deren besserer Zusammenarbeit beizutragen.
Die Teilnehmer/-innen sollen auch befähigt werden, die im Seminar erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Praxis anzuwenden.
- Auswirkungen des Konjunkturverlaufes auf die Handlungssituation der Interessenvertreter/-innen
- Ursachen für das Auf und Ab des Konjunkturverlaufes
- Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Betriebsverfassung
- Funktion der Gesetze, der Gesetzgebung, der Rechtsprechung
- Aufgaben der Gewerkschaften
- Strategien der Unternehmer zur Durchsetzung ihrer Interessen
- Aufgaben des Betriebsrates, des Vertrauenskörpers, der Jugend- und Auszubildendenvertretung
- Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaft, Betriebsrat-, Vertrauenskörper und Jugend- und Auszubildendenvertretung
- Kennenlernen wichtiger Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, anderer Gesetze und einiger Tarifverträge.”
Die vom Kläger am 14.02.1995 beanspruchte Teilnahme an dem Seminar in S. vom 03.04. bis zum 13.04.1995 wurde von der Beklagten als Bildungsurlaub abgelehnt. Die Parteien einigten sich auf eine Freistellung unter Rückstellung der Frage der Bezahlung.
Mit einer bei dem Arbeitsgericht Wuppertal am 11.08.1995 anhängig ge...