Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwerrente/Pensionskasse
Leitsatz (amtlich)
1. Die Voraussetzung für die Gewährung einer Witwerrente in der Satzung einer Pensionskasse, die verstorbene Angestellte (Ehefrau) müsse „den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten haben”, ist mit Art. 119 EG-Vertrag unvereinbar, wenn Witwenrenten nicht der gleichen Einschränkung unterliegen.
2. Jedenfalls dann, wenn die Trägerin der Pensionskasse eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, gilt im Verhältnis zu den versicherten Arbeitnehmern und ihren anspruchsberechtigten Angehörigen auch der Grundrechtsschutz des Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 GG.
3. Versicherungsrechtliche Grundsätze stehen der unmittelbaren Inanspruchnahme der Pensionskasse durch die diskriminierten Arbeitnehmer bzw. Angehörigen nicht entgegen.
Normenkette
EWGVtr Art. 119; GG Art. 3 Abs. 2-3
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Urteil vom 16.01.1997; Aktenzeichen 4 Ca 3394/96) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 16.01.1997 – 4 Ca 3394/96 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verfolgt Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung (Witwerrente) aufgrund der seiner verstorbenen Ehefrau erteilten Zusage auf betriebliches Ruhegeld. Dabei stützt sich der Kläger darauf, daß der am 12.11.1993 verstorbenen Ehefrau, die vom 01.09.1956 bis zu ihrem Tode als Angestellte für eine Ersatzkasse (B.) tätig war, durch arbeitsvertragliche Inbezugnahme der Geltung des Ersatzkassentarifvertrages (EKT) betriebliches Ruhegeld und Hinterbliebenenversorgung zugesagt war.
Gemäß § 37 Abs. 2 EKT i.V. mit Anlage 7 a) zum EKT-Alters- und Hinterbliebenenversorgung gewährt die Ersatzkasse ihren Angestellten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Pensionskasse. Die Hinterbliebenenversorgung ist in § 11 Ziffer 2 der Satzung der Pensionskasse vom 01.01.1981 wie folgt geregelt:
„2. Pensionen an Hinterbliebene nach Wegfall der Pensionszahlung an Mitglieder bzw. der Dienstbezüge.
a) Witwenpension an die Witwe des verstorbenen Mitgliedes. Witwerpension erhält der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat.”
Nach dem Tode seiner Ehefrau hatte der Kläger zunächst bei der Pensionskasse Witwerrente beantragt. Die Zahlung war unter Hinweis auf die Satzung mit der Begründung abgelehnt worden, die verstorbene Ehefrau habe den Familienunterhalt nicht überwiegend getragen. Deshalb nahm der Kläger mit der am 19.06.1996 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage zunächst den Arbeitgeber (Beklagte zu 1) auf Zahlung der Witwerrente in Anspruch, die er mit monatlich 569,10 DM ab dem 01.03.1994 fordert. Auch dieser lehnte die Zahlung ab und verwies seinerseits auf allenfalls mögliche Ansprüche gegenüber der Pensionskasse. Die veranlaßte den Kläger, die Klage gegen die Pensionskasse (Beklagte zu 2) zu erweitern.
Er erachtet die einschränkende Bedingung der Satzung, Witwerrente nur für den Fall zu zahlen, daß die verstorbene Ehefrau überwiegend den Unterhalt der Familie bestritten hat, als unwirksam. Dies sei eine Benachteiligung seiner verstorbenen Ehefrau und für ihn als Hinterbliebenen, die dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot widerspreche.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an den Kläger DM 19.349,40 zuzüglich 4 % Zinsen aus DM 15.934,80 ab dem 27.07.1996 sowie aus weiteren DM 3.414,60 ab dem 31.12.1996 zu zahlen,
- festzustellen, daß die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, ab Januar 1997 jeweils zum Monatsende monatlich DM 569,10 an den Kläger zu zahlen,
- die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an den Kläger DM 19.349,40 nebst 4 % Zinsen aus DM 15.934,80 ab dem 24.10. und aus weiteren DM 3.414,60 ab dem 31.12.1996 zu zahlen,
- festzustellen, daß die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, an den Kläger ab Januar 1997 monatlich jeweils zum Monatsende DM 569,10 zu zahlen.
Der verklagte Arbeitgeber hat daran festgehalten, daß für Ansprüche allenfalls die Pensionskasse zuständig sei. Diese wiederum sieht sich – wie bereits in der Vorkorrespondenz – zu Zahlungen satzungsrechtlich außerstande. In ihrem Rechtsverhältnis zu den Angestellten und deren Hinterbliebenen komme der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen.
Das Arbeitsgericht Wuppertal hat mit Urteil vom 16.01.1997 die gegen den Arbeitgeber gerichtete Klage – inzwischen rechtskräftig – abgewiesen und die Pensionskasse antragsgemäß verurteilt. Die einschränkende Bedingung in § 11 Ziffer 2 a) der Satzung der Pensionskasse verstoße gegen Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG, gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EG-Vertrag und gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz; diese Normen bzw. Grundsätze würden auch im Rechtsverhältnis des Klägers zu der beklagten Pensionskasse gelten. Die Nichtigkeit der Einschränkung habe...