Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingung. Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge und Tarifbindung des Arbeitgebers. Bezugnahme von Tarifverträgen als Gleichstellungsklausel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird ein Arbeitsvertrag auf der Grundlage eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Formulars ausgefertigt und an den dafür vorgesehenen Stellen maschinenschriftlich ergänzt, spricht schon die äußere Form für das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dies gilt erst recht, wenn das Formular in einer Vielzahl von Fällen verwendet wird.

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von rechtsunkundigen, verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind.

3. Werden Tarifverträge im Arbeitsvertrag mit der Formulierung "soweit sie für den Arbeitgeber verbindlich sind" in Bezug genommen, geht es um die Tarifbindung des Arbeitgebers. Nur solange sie besteht, wirkt die Bezugnahme dynamisch. Wird die Tarifbindung beendet, hat die Bezugnahmeklausel nur noch statische Wirkung.

4. Bei einer Gleichstellungsklausel reicht die Dynamik der in Bezug genommenen Tarifverträge nur soweit, wie dies bei einem tarifgebundene Arbeitgeber der Fall ist. Sie endet also dann, wenn der Arbeitgeber im Wege eines Wegfalls der eigene Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an die künftigen Tarifverträge gebunden ist. Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden.

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 305, 305c Abs. 2, § 310 Abs. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 05.09.2016; Aktenzeichen 6 Ca 2430/16)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.09.2016 - 6 Ca 2430/16 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

  • III.

    Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche, die von der Frage abhängen, ob die Beklagte verpflichtet ist, Tariflohnerhöhungen für Mitarbeiter des Einzelhandels Nordrhein-Westfalen an die Klägerin weiterzugeben.

Die Beklagte betreibt E.-Free-Shops an Flughäfen.

Die Klägerin ist seit dem 01.04.1995 bei der Beklagten bzw. bei deren Rechts-Vorgängerinnen auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 13.03.1995 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma Gebr. I., beschäftigt. Sie ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft.

In Anstellungsvertrag finden sich unter anderem die folgenden Regelungen:

"1. Der Mitarbeiter wird ab dem 1. April 1995 für I. als Verkäuferin/Kassiererin tätig.

[...]

3. Es gelten die Bestimmungen der für den Einsatzort einschlägigen Tarifverträge für die Beschäftigten im Einzelhandel - soweit sie für I. verbindlich sind - sowie etwaigen Betriebsvereinbarungen/-ordnungen in ihrer jeweils geltenden Fassung.

[...]

6. Der Mitarbeiter wird in die Gehaltsgruppe II n.d. 5. Berufsjahr des geltenden Gehaltstarifvertrages eingestuft (Tarifgehalt derzeit DM 3.610,-). Die Vergütung (nachfolgend kurz: Gehalt) wird monatlich nachträglich auf ein vom Mitarbeiter einzurichtendes Konto überwiesen."

Der bei Vertragsbeginn am 15.10.1993 noch geltende Gehaltstarifvertrag zwischen dem Einzelhandelsverband Nordrhein e.V. und der Gewerkschaft Handel, Bank und Versicherungen sowie der Deutschen Angestellten - Gewerkschaft | vom 21.06.1991 enthielt in § 3 (Beschäftigungsgruppen) unter lit. B. folgende Regelungen:

"...

Gehaltsgruppe I

Angestellte mit einfacher kaufmännischer Tätigkeit

Beispiele: Verkäufer

Kassierer mit einfacher Tätigkeit

...

...

Gehaltsgruppe II

Angestellte mit einer Tätigkeit, die erweiterte Fachkenntnisse und eine

größere Verantwortung erfordern.

Beispiele: Erste Verkäufer

...

Kassierer mit gehobener Tätigkeit

...

3. bis 5. Jahr der Tätigkeit DM 2.706,00

..."

In mehreren Änderungsvereinbarungen aus den Jahren 2002 bis 2013 wurden jeweils Formulierungen aufgenommen, wonach alle übrigen Punkte des Arbeitsvertrages ihre Gültigkeit behalten, bzw. bestehen bleiben sollten. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlagen K3 bis K7 mit der Klageschrift vorgelegten Kopien Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 24.04.2009 kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Gebr. I. KG, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich und bot ihr zugleich an, sie über diesen Termin hinaus zu veränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen. In dem Schreiben heißt es in diesem Zusammenhang konkret:

"Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, Sie über diesen Termin hinaus nahtlos als Verkäuferin/Kassiererin weiterzubeschäftigen. Diese Position ist in die Tarifgruppe G1 eingruppiert. Da Sie bereits in der Gehaltsgruppe G2 eingruppiert gewesen sind, ...

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