Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche auf Gewährung von Urlaub und Urlaubsabgeltung bei Versterben des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Der Urlaubsanspruch aus § 1BUrlG ist gerichtet sowohl auf Freistellung von der Arbeitspflicht als auch auf Zahlung des entsprechenden Urlaubsentgelts für den Freistellungszeitraum.
2. Der Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts entsteht mit dem Freistellungsanspruch und ist bedingt durch die Gewährung der Freistellung. Bis zur Freistellung besteht er als gesicherte Rechtsposition (Anwartschaftsrecht) auf Zahlung von Urlaubsentgelt.
3. Kann der Freistellungsanspruch wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, ist er gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Endet das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers, geht das Anwartschaftsrecht auf Zahlung von Urlaubsentgelt gemäß § 1922 BGB auf den Erben des Arbeitnehmers über und wandelt sich dort in unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 4 BUrlG in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um.
Normenkette
BUrlG §§ 1, 7 Abs. 4; BGB § 1922 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wesel (Entscheidung vom 15.07.2015; Aktenzeichen 6 Ca 703/15) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 15.07.2015 - 6 Ca 703/15 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 36.955,92 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 20.02.2015 zu zahlen.
- Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
- Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 82 % von der Beklagten und zu 18 % von der Klägerin getragen.
- Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht die Abgeltung von Urlaubsansprüchen sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeldansprüche ihres im Arbeitsverhältnis verstorbenen Ehemanns (Erblasser) geltend.
Die Klägerin ist Alleinerbin des am 29.11.2014 verstorbenen Erblassers. Dieser war bei der Beklagten bis zu seinem Tode zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 12.386,76 € zuzüglich Dienstwagenpauschale in Höhe von 588,- € beschäftigt. Seit dem 06.09.2013 war er durchgehend arbeitsunfähig. Die Entgeltfortzahlungsfrist endete am 20.10.2013. Bei seinem Tode standen dem Erblasser - zwischen den Parteien unstreitig - noch 54,5 Urlaubstage aus den Jahren 2013 (27) und 2014 (27,5) zu. Den Dienstwagen hatte er im Juni 2014 aus gesundheitlichen Gründen zurückgegeben.
Im Arbeitsvertrag des Erblassers mit der Beklagten vom 16.01.1999 heißt es auszugsweise:
"§ 4 Entgelt
Das monatliche Bruttogehalt beträgt 8.500,- DM bzw. 9.500,- DM ab dem 01.10.99 zahlbar am 1. des Folgemonats.
Zusätzlich zum Gehalt erhält der Angestellte
1. eine Urlaubsvergütung und Weihnachtsgeld jeweils in Höhe eines halben Monatsgehalts
2. ..."
Mit ihrer am 31.03.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin Abgeltung der vorgenannten Urlaubsansprüche des Erblassers. Diese berechnet sie unter Einbeziehung der Dienstwagenpauschale mit 32.141,92 € brutto (12.974,76 € : 22 x 54,5).
Ferner verlangt die Klägerin Zahlung von Urlaubsgeld für 2013 und 2014 in Höhe von jeweils einem halben Bruttomonatsgehalt, nämlich - hier ohne Dienstwagenpauschale - 12.386,76 € brutto. Darauf lässt sie sich das für 2013 geleistete Urlaubsgeld in Höhe von 6.116,22 € brutto anrechnen. Schließlich erhebt die Klägerin Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld in Höhe von jährlich einem halben Bruttomonatsgehalt. Dieses berechnet sie für 2014 - ohne Dienstwagenpauschale - mit 6.193,38 € und für 2013 - nach Abzug bereits erbrachter Zahlungen - mit 77,17 € brutto.
Die Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, dass die Urlaubsansprüche des Erblassers mit seinem Tod erloschen seien und sich auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.09.2011 (9 AZR 416/10) berufen. Im Übrigen habe die Klägerin bei der Berechnung der Urlaubsabgeltung zu Unrecht die Dienstwagenpauschale einbezogen. Weiter hat die Beklagte gemeint, etwaige Ansprüche auf Abgeltung restlichen Urlaubs bestünden auch deshalb nicht, weil sie für die Geschäftsführer und Prokuristen eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen habe und dabei übereingekommen sei, dass im Falle der Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente keine weiteren Ansprüche der versicherten Personen gegen die Beklagte mehr bestehen sollten. Dem Kläger seien aus dieser Versicherung 30.000,- € zugeflossen. Ferner hat die Beklagte vorgebracht, der Erblasser habe während seiner Arbeitsunfähigkeit 14 Tage mit seiner Frau an der Nordsee verbracht. Ein Weihnachtsgeldanspruch für das Jahr 2014 scheitere schließlich daran, dass der Zweck der Zahlung, zu einem besseren Gelingen des Weihnachtsfestes beizutragen, im Falle des Erblassers im Jahre 2014 wegen seines Ablebens nicht mehr habe verwirklich werden können.
Mit Urteil vom 15.07.2015, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug ge...