Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Tarifbindung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ablösung eines vor dem Betriebsübergang normativ geltenden Tarifvertrages (§ 3 Abs. 1 TVG) durch einen „anderen Tarifvertrag” i. S. von § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB setzt die kongruente Tarifgebundenheit des Betriebserwerbers und des Arbeitnehmers voraus (vgl. BAG 30.08.2000 – 4 AZR 581/99 – EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 13).
2. Ein nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB individualrechtlich fortgeltender Tarifvertrag kann auf Arbeitgeberseite nur durch den Betriebsveräußerer und auf Arbeitnehmerseite allenfalls durch sämtliche von der Weitergeltung der Tarifnormen betroffenen Arbeitnehmer gekündigt werden.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 Sätze 2-3; TVG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Urteil vom 13.09.2007; Aktenzeichen 2 Ca 3244/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 13.09.2007 – 2 Ca 3244/06 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist seit 1981 für die Firma I. Werke Gebr. D. GmbH bzw. deren Rechtsvorgänger tätig. Über das Vermögen der Firma I. Werke Gebr. D. GmbH wurde am 01.09.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt waren der Kläger und die Insolvenzschuldnerin kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit an die Tarifverträge für die Sägeindustrie und verwandte Betriebe gebunden. Am 01.07.2006 übernahm die Beklagte, die jedenfalls in dem hier interessierenden Zeitraum nicht tarifgebunden war, gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB u. a. auch den in E. angesiedelten Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt ist.
Am 31.05.2005 schloss der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma I. Werke Gebr. D. GmbH, Herr Rechtsanwalt Dr. Dr. X. T., mit der IG-Metall einen Sanierungstarifvertrag, der im Wesentlichen eine vorübergehende Anhebung der nach dem Manteltarifvertrag für die Sägeindustrie geltenden wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden auf 40 Stunden sowie eine Reihe von Entgeltkürzungen enthält. In Ziffer 9 Abs. 3 des Sanierungsvertrages ist vorgesehen, dass er ohne Kündigung zum 31.12.2007 ausläuft. Unter Ziffer 7 des Sanierungstarifvertrages ist geregelt, dass er von beiden Parteien bis zum 15. eines Monats zum Monatsende schriftlich gekündigt werden kann. In einer ergänzenden Vereinbarung vom 13.07.2005 kamen der Insolvenzverwalter und die IG-Metall überein, dass das ursprünglich im Sanierungstarifvertrag (Ziffer 2 Abs. 3) für die Anhebung der individuellen Arbeitszeit vorgesehene Erfordernis einer Zustimmungserklärung des jeweiligen Arbeitnehmers entbehrlich sei.
Mit einem am 17.07.2006 – nach Betriebsübergang – zugegangenen Schreiben vom 13.07.2006 kündigte die IG-Metall den Sanierungstarifvertrag zum 31.08.2006. Mit Schreiben vom 27.08.2006 genehmigte der Kläger diese Kündigung. Hilfsweise erklärte er seinerseits die Kündigung sämtlicher „kollektiven und individuellen Vereinbarungen, die vor und nach dem 01.06.2005 am Standort E. anlässlich des Sanierungstarifvertrages getroffen worden sind (und meine individuellen Arbeitsbedingungen verschlechtert haben) erneut fristgerecht zum Monatsende”.
Mit seiner am 21.12.2006 beim Arbeitsgericht Duisburg eingegangenen Klage, die er mit einem dort am 26.01.2007 eingereichten Schriftsatz erweitert hat, begehrt der Kläger auf der Basis seiner beiden Schreiben vom 27.09.2006 und 15.11.2006 die Zahlung verschiedener Differenzbeträge für die Zeit von Juli bis Oktober 2006, die allesamt darauf beruhen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis weiterhin auf der Grundlage des Sanierungsvertrages abgerechnet hat.
Der Kläger hat im Wesentlichen geltend gemacht:
Der Sanierungstarifvertrag habe nach dem Betriebsübergang vom Insolvenzverwalter auf die Beklagte keine Anwendung mehr gefunden. Denn dieser könne nach Ziffer 1 lit. b nur auf solche Arbeitnehmer angewandt werden, welche am Standort E. „für den Insolvenzverwalter” tätig seien. Auch sei die Geschäftsgrundlage des Sanierungstarifvertrages, die allein die Insolvenz und die damit einhergehende Sanierung gewesen sei, mit Übernahme des Betriebes durch die Beklagte seit dem 01.07.2006 entfallen mit der Folge, dass diese sich seitdem nicht mehr auf ihn berufen könne. Schließlich könne der Sanierungstarifvertrag jedenfalls seit dem 01.09.2006 nicht mehr angewendet werden, weil er sowohl von der IG-Metall als auch von ihm gekündigt worden sei.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.295,07 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2006 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.233,40 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:
Die Arbeitsbedingungen hätten sich in dem streitbefangenen Zeitraum weiterhin nach dem Sanierungstarifvertrag...