Verfahrensgang
ArbG Wesel (Urteil vom 17.11.1999; Aktenzeichen 4 Ca 2296/99) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Wesel vom17.11.1999 – 4 Ca 2296/99 – abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Streitwert: 8.076,– DM.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch außerordentliche Kündigung des beklagten Landes.
Die am 04.10.1951 geborene Klägerin ist seit dem 01.10.1971 bei dem beklagten Land zuletzt als teilzeitbeschäftigte Angestellte mit 62,5 % der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.692,– DM beim Finanzamt der Stadt M. im Bereich der Kfz-Besteuerung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften des Bundesangestelltentarifvertrages Anwendung.
Am 28.06.1999 übergab die Klägerin der Vorsteherin des Finanzamtes, der Leitenden Regierungsdirektorin, Frau H., ein von ihr sowie ihrem Ehemann unterzeichnetes Schreiben der Steuerberater H. und F. vom 25.06.1999, worin diese eine Selbstanzeige der Klägerin und ihres Ehemannes gem. § 371 AO wegen gemeinschaftlich begangener Steuerhinterziehung erstatteten. Hierzu wurde mitgeteilt, gemeinsam Zinseinkünfte aus Kapitalanlagen in Luxemburg aus den Jahren 1989 bis 1997 in einer Gesamthöhe von 169.452,97 DM bisher steuerlich nicht erklärt zu haben. Nach dieser Selbstanzeige ergeben sich Einkommenssteuernachforderungen in Höhe von 54.642,45 DM und Vermögenssteuernachforderungen in Höhe von 12.620,– DM.
Mit Schreiben vom 08.07.1999, der Klägerin am selben Tage zugegangen, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, nachdem der Personalrat gegen die Kündigung keine Einwände erhoben hatte.
Mit der am 29.07.1999 bei dem Arbeitsgericht Wesel eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewandt und vorgetragen, die Vorsteherin des Finanzamtes habe bei dem Gespräch am 28.06.1999 erklärt, die der Selbstanzeige zugrunde liegende Tat habe keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Hierdurch sei ein Verzicht auf das Recht zur fristlosen Kündigung gegeben, die Kündigungsgründe seien verbraucht. Zudem sei die Form der Anlage auf Initiative ihres Ehemannes erfolgt, gegen welchen sie sich nicht ausreichend habe durchsetzen können. Eine unmittelbare Berührung der Steuerhinterziehung mit ihrem Arbeitsverhältnis habe nicht stattgefunden.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 08.07.1999 nicht aufgelöst worden ist;
bei Obsiegen mit dem Feststellungsantrag,
- die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen als Verwaltungsangestellte weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, mit ihrer über Jahre fortgesetzten Steuerhinterziehung habe die Klägerin unter Verletzung des § 8 Abs. 1 S. 1 BAT dem Ansehen ihres Arbeitgebers in erheblichem Ausmaß geschadet. Als Angestellte im Finanzamt wiege ihr Verhalten umso schwerer, als es ureigene Aufgabe des Finanzamtes sei, Steuern gleichmäßig festzusetzen und die Bürger zu Steuerehrlichkeit anzuhalten. Auch wenn die Klägerin bei ihrer Tätigkeit in der Kraftfahrzeugstelle nicht unmittelbar mit der Steuerfestsetzung befasst sei, repräsentiere sie jedoch als Angestellte des Finanzamts die Finanzverwaltung, welche ein solches Verhalten nicht dulden könne. Dies gelte umso mehr, als die Steuerhinterziehung über Jahre und in wirtschaftlich erheblichem Umfang erfolgt sei. Auch stehe das Steuergeheimnis gem. § 30 AO der Verwertung der Informationen aus der Selbstanzeige vom 28.06.1999 nicht entgegen, da ein zwingendes öffentliches Interesse die Offenbarung der erlangten Kenntnisse geboten habe. Der Selbstanzeige komme über die Straffreiheit nach § 371 AO hinaus keine arbeitsrechtlich entlastende Bedeutung zu. Als Arbeitgeberin habe die Finanzverwaltung andere Interessen zu schützen als in ihrer öffentlich-rechtlichen, der Staatsanwaltschaft entsprechenden Funktion als Träger hoheitlicher Aufgaben.
Durch Urteil vom 17.11.1999, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht Wesel festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 08.07.1999 nicht aufgelöst worden ist. Das Gericht hat das beklagte Land verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen als Verwaltungsangestellte weiterzubeschäftigen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem beklagten Land auferlegt und den Streitwert auf 8.076,– DM festgesetzt.
Zur Begründung hat die Vorinstanz ausgeführt, der Umstand der strafbefreienden Selbstanzeige könne bei der Bewertung des Verhaltens der Klägerin nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn der Arbeitnehmer auf ...