Revision
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitszeitverkürzungs-Tag. Rückwirkung eines Tarifvertrages. Umwandlung AZV-Tag in Erholungsurlaub
Leitsatz (amtlich)
1. Trotz praktischer Ähnlichkeit mit dem gesetzlichen Erholungsurlaub (§ 1 BUrlG) handelt es sich bei einem tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeitverkürzungs-Tag (AZV-Tag) um eine besondere Arbeitszeit und nicht um eine Urlaubsregelung, so dass die Inanspruchnahme eines AZV-Tages nicht als Inanspruchnahme eines Urlaubstages behandelt werden kann (vgl. auch OVG Münster 04.08.2004 – 6 A 619/04 –).
2. Das schutzwürdige Vertrauen eines Arbeitnehmers in den Fortbestand eines tarifvertraglichen Rechts entfällt nicht bereits dadurch, dass dieses Recht innerhalb des Geltungsbereichs eines anderen Tarifvertrages rückwirkend gestrichen wurde. Dies gilt wegen Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG selbst dann, wenn es einer jahrzehntelangen Gepflogenheit der Tarifvertragsparteien entspricht, die Änderungen des anderen Tarifvertrages mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung zu übernehmen.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3 S. 1; Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag (BG-AT) § 15a (i. d. F. zum 31.12.2002), § 47 (i. d. F. zum 31.12.2002); Ergänzungstarifvertrag Nr. 101 zum BG-AT § 1 Nr. 1, § 2
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 08.03.2005; Aktenzeichen 5 Ca 8638/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom08.03.2005 – 5 Ca 8638/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Der am 11.08.1946 geborene Kläger ist seit dem 23.02.1970 bei der Beklagten als Programmierer zuletzt mit einem durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen von 4.000 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrages (BG-AT) Anwendung. Dieser Tarifvertrag wird vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V. einerseits, sowie dem Verband der Angestellten der gesetzlichen Unfallversicherung und der Gewerkschaft ver.di andererseits abgeschlossen. § 15a BG-AT in seiner jedenfalls bis zum 31.12.2002 gültigen Fassung sah vor, dass jedem Arbeitnehmer pro Jahr Anspruch auf einen Arbeitszeitverkürzungstag (AZV-Tag) zusteht.
Der BG-AT entspricht im Wesentlichen dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT). Jedoch sind die beiden Tarifverträge nicht völlig inhaltsgleich. So wird im Rahmen der Geltung des BG-AT ein Jubiläumsgeld gezahlt, welches im BAT bereits vor geraumer Zeit gestrichen wurde. Änderungen des BAT werden seit Jahrzehnten jedenfalls meistens – mit zeitlicher Verzögerung – in den BG-AT übernommen.
Im Jahr 2003 wurden die Vergütungstarifverträge des BAT von der Arbeitgeberseite fristgerecht zum Ablauf des 31.12.2003 gekündigt. Gleichzeitig kündigte der HVBG den Vergütungstarifvertrag zum BG-AT.
Im Januar 2003 wurde der BAT geändert. Dabei wurde unter anderem der bis dahin geregelte AZV-Tag ersatzlos rückwirkend zum 01.01.2003 gestrichen und die Tariflöhne wurden rückwirkend zum 01.01.2003 erhöht. Am 10.01.2003 wurde die Änderung des BAT öffentlich in den Medien mitgeteilt, wobei streitig ist, ob bzw. in welchem Umfang dabei gerade die Streichung des AZV-Tages besondere Erwähnung fand.
Am 17.01.2003 wollte der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Geburtstag besuchen. Zu diesem Zweck nahm er den AZV-Tag für das Jahr 2003, nachdem er dies zuvor auf dem für ihn vorgesehenen Urlaubsschein für das Jahr 2003 vermerkt hatte.
Am 01.09.2003 unterzeichneten die zuständigen Tarifparteien den auf den 31.01.2003 datierten Ergänzungstarifvertrag Nr. 101 zum BG-AT. In diesem wurde durch § 1 Nr. 1, § 2 der in § 15a BG-AT vorgesehene AZV-Tag rückwirkend zum 01.01.2003 gestrichen.
Mit Schreiben vom 02.10.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass alle AZV-Tage, welche nach dem 09.01.2003 bewilligt worden seien, „umgewandelt” werden müssten. Die Beklagte forderte den Kläger zugleich auf, mitzuteilen, ob der von ihm in Anspruch genommene AZV-Tag durch einen Abzug vom Gleitzeitkonto ausgeglichen oder auf seinen Erholungsurlaub der Jahre 2003 und 2004 angerechnet werden sollte. Diesem Ansinnen widersprach der Kläger mit Schreiben vom 17.11.2003. Nachdem die Beklagte ihn mit Schreiben vom 22.04.2004 erneut aufgefordert hatte, mitzuteilen, welche Art von „Umwandlung” erfolgen solle, teilte sie ihm per E-Mail vom 24.06.2004 mit, dass der AZV-Tag in einen Urlaubstag umgewandelt und sein Urlaubsschein entsprechend geändert worden sei. Dabei zog die Beklagte dem Kläger einen Urlaubstag für das Jahr 2004 ab.
Mit seiner am 17.11.2004 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Gewährung eines zusätzlichen Urlaubstages für das Jahr 2004.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten:
Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihm für den ihm bereits genehmigten und von ihm am 17.01.2003 in Anspruch genommenen AZV-Tag einen Urlaubstag abzuziehen. Insbesondere berechtige auc...