Revision
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinnützige und zusätzliche Arbeit. arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
1. Wurde ein arbeitsloser Sozialhilfeempfänger einem kirchlichen Arbeitgeber, dessen Zweck die Schaffung und Förderung von Arbeitsangeboten für Arbeitslose ist, durch einen Träger der Sozialhilfe zugewiesen, schließt dies für den zugewiesenen Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit aus, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu verfolgen (im Anschluss an BAG vom 07.07.1999, AP Nr. 216 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
2. Auch wenn der Träger der Sozialhilfe im Zuweisungsbescheid bestimmt hat, dass die tarifvertraglichen Regelungen für Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes oder daran angelehnte Tarifvereinbarungen keine Anwendung in dem Arbeitsverhältnis finden, kann der ehemals arbeitslose Sozialhilfeempfänger Vergütungsansprüche nach diesen Regelungen gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen.
3. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz findet Anwendung, wenn der kirchliche Arbeitgeber mit seinem „Stammpersonal” die Geltung des BAT-KF für deren Arbeitsverhältnisse vereinbart.
4. Ein sachlicher Grund, den von einem Träger der Sozialhilfe zugewiesenen Arbeitnehmer von Vereinbarungen über die Geltung des BAT-KF auszunehmen, liegt vor, wenn dieser gemeinnützige und zusätzliche Arbeit im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 1 BSHG geleistet hat(BAG, Urteil vom 09.05.1995 – 9 AZR 269/94 –). Hat der zugewiesene Arbeitnehmer Aufgaben in der Personalverwaltung des vom kirchlichen Arbeitgeber geförderten Personenkreises erledigt, handelt es sich nicht um zusätzliche Arbeit im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 1 BSHG, wenn die Aufgaben andernfalls vom „Stammpersonal” hätten erledigt werden müssen.
5. Soweit § 3 d (aa) BAT-KF in Übereinstimmung mit § 3 d (aa) BAT bestimmt, dass dieser Tarifvertrag nicht für Angestellte gilt, die Arbeiten nach § 260 SGB III oder nach §§ 19 und 20 BSHG verrichten, ist eine Inhaltskontrolle nach den für Tarifverträge geltenden Maßstäben vorzunehmen. Weder die Übernahme von Kosten durch den Träger der Sozialhilfe oder sonstige Stellen noch der Umstand, dass der Arbeitnehmer arbeitslos war und für ihn eine Arbeitsgelegenheit nach § 19 Abs. 1 BSHG geschaffen wurde, stellen – für sich genommen – sachgerechte Gründe dar, einen Arbeitnehmer von allgemeinen arbeitsvertraglichen Regelungen auszuschließen.
6. Für den Fall, dass die Anordnung der normativen Wirkung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen in § 3 Abs. 1 Arbeitsrechtsregelungsgesetz (Kirchengesetz) trotz Fehlens einer staatlichen Ermächtigung wirksam ist, ist der Ausschluss solcher Arbeitnehmer vom persönlichen Geltungsbereich des BAT-KF mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
Normenkette
BSHG § 19; BAT-KF § 3d (aa); Arbeitsrechtsregelungsgesetz § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Urteil vom 15.10.2004; Aktenzeichen 8 Ca 1182/04) |
Nachgehend
Tenor
DasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom15.10.2004 – 8 Ca 1182/04 – wird teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.172,18 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz auf den sich ergebenden Nettobetrag aus jeweils 374,25 EUR brutto seit dem 01.10.2002, 01.11.2002, 01.12.2002 und 01.01.2003, aus jeweils 416,77 EUR brutto seit dem 01.02.2003, 01.03.2003, 01.04.2003, 01.05.2003, 01.06.2003 und 01.07.2003, aus 335,48 EUR brutto seit dem 01.08.2003 und aus 839,08 EUR brutto seit dem 12.01.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte zu 49 % und der Kläger zu 51 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 53 % und der Kläger zu 47 %.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger die Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c Anlage 1 a zum Bundesangestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF) sowie zusätzliches Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld (Zuwendung) zu zahlen.
Die Beklagte ist Mitglied des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland. Sie ist durch Freistellungsbescheide des Finanzamts Wuppertal-Barmen von der Körperschaftssteuer befreit. Ihr Zweck ist die Schaffung und Förderung von Arbeitsangeboten für schwer vermittelbare arbeitslose Gefährdete, insbesondere für Haftentlassene, Nichtsesshafte und andere langfristig Arbeitslose, bei denen besondere soziale Schwierigkeiten einer Teilnahme am Arbeitsprozess entgegenstehen, mit dem Ziel der Eingliederung bzw. Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (§ 2 Gesellschaftsvertrag).
Insbesondere führt sie folgende Aufgaben durch (§ 2 Gesellschaftsvertrag):
- Entsorgung von Elektro- und Elektronikschrott und anderer werkstoffhaltiger Materialien,
- Reparatur von Elektrogeräten und Verkauf von Elektrogeräten insbe...