Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Geltung des BetrAVG für reine Beitragszusagen. Auslegungsgrundsätze für Beitragszusage oder Betriebsrentenanspruch. Versorgungsordnung der AVR Caritas als Betriebsrentensystem mit Einstandspflicht des Arbeitgebers. Darlegungs- und Beweislast bei Streit um nicht aufklärbare Differenzen in der Betriebsrentenberechnung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Versorgungsordnung B der AVR Caritas, der ursprünglichen Selbsthilfe - Zusatzrentenkasse der Deutschen Caritas -, handelt es sich nicht um eine reine Beitragszusage, sondern um einen Betriebsrentenanspruch, für welchen die Einstandspflicht der Arbeitgeberin gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG gilt.
2. Zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Einstandspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG, wenn die Arbeitgeberin die Richtigkeit der von der Pensionskasse vorgenommenen Betriebsrentenberechnung bestreitet und deren Richtigkeit in Anwendung der Tarifbestimmungen der Pensionskasse sich nicht aufklären lässt.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die reine Beitragszusage unterfällt nicht dem Recht der betrieblichen Altersversorgung. Mit ihr werden keine künftigen Versorgungsleistungen versprochen, wie dies § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG verlangt, sondern nur zusätzliche Zahlungen während des aktiven Arbeitslebens, die zur Bildung von Vermögen oder von Versorgungsanwartschaften an den Arbeitnehmer auszuzahlen sind und bei denen der Arbeitnehmer das volle Anlage- und Insolvenzrisiko trägt. Auf solche Zusagen passt weder der gesetzliche Verschaffungsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG noch das Unverfallbarkeitsrecht nach § 2 BetrAVG.
2. Die Frage, ob eine Beitragszusage oder ein Betriebsrentenanspruch vereinbart ist, ist durch Auslegung in Anwendung der §§ 133, 157 BGB und Würdigung der Gesamtschau der Umstände zu beantworten. Dabei liegt in der Anmeldung der Arbeitnehmer zu einer Pensionskasse üblicherweise eine Betriebsrentenzusage.
Normenkette
BetrAVG § 1 Abs. 1-2; BGB §§ 133, 157, 241-242, 313, 613a Abs. 1; ZPO §§ 286-287; AVR Caritas Anl. 8; BetrAVG § 2; TVG § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Krefeld (Entscheidung vom 05.06.2020; Aktenzeichen 2 Ca 2033/19) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 05.06.2020 - 2 Ca 2033/19 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Einstandspflicht der Beklagten für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.
Die am 05.10.1951 geborene Klägerin hatte zunächst einen Lehrvertrag für Arzthelferinnen mit dem Chefarzt des St. D. Hospital W.-E. (im Folgenden: D.) für zwei Jahre ab dem 01.04.1967 geschlossen. Nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung wurde die Klägerin vom D. übernommen, ohne dass zunächst ein Dienstvertrag geschlossen wurde. Unter dem 28.08.1974 erfolgte durch das D. mittels ausgefülltem Formular die Anmeldung der Klägerin zur Selbsthilfe - Zusatzrentenkasse der Deutschen Caritas (im Folgenden Selbsthilfe). Als Eintrittsmonat/Eintrittsjahr war "09/74" ausgefüllt. In dem Feld "Rentenanspruch" war der Betrag 873,30 angegeben. In dem Feld "Monatsbeitrag" war 149,28 eingetragen. Die Klägerin erhielt von der Anmeldung die 3. Ausfertigung.
In den am 28.08.1974 und bis zum 31.12.1974 geltenden AVR mit Stand 01.05.1972 (im Folgenden AVR 1972) hieß es in Anlage 1 u.a.:
"XIII Zusätzliche Altersversorgung
Der Dienstgeber ist verpflichtet, die Versorgung der Mitarbeiter für Alter und Invalidität gemäß den Bestimmungen der Anlage 8 zu den AVR (Versorgungsordnung) zu veranlassen."
In der Anlage 8 AVR 1972 - Versorgungsordnung (VersO) - (im Folgenden VersO 1972) hieß es u.a.:
"Die "Ständige arbeitsrechtliche Kommission" hat am 15. Oktober 1965 die nachstehende Versorgungsordnung für die Mitarbeiter im Geltungsbereich der Arbeitsvertragsrichtlinien beschlossen und mit Wirkung vom 1. April 1966 in Kraft gesetzt. Diese bezweckt eine Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung für Mitarbeiter durch Entrichtung von Versicherungsbeiträgen.
§ 1 Bestandteile der Versorgung
Die Versorgung der Mitarbeiter setzt sich zusammen aus:
a) einer Grundversorgung
b) einer Zusatzversorgung
Die Grundversorgung erfolgt durch Entrichtung von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung oder an eine Ersatzversicherung an deren Stelle. Die Zusatzversorgung erfolgt grundsätzlich durch Entrichtung von Beiträgen an die "Selbsthilfe" - Zusatzrentenkasse der Deutschen Caritas - Versicherungsverein a.G. Köln (Rhein) bzw. für Angehörige der Caritasschwesternschaft an die "Altenhilfe" - Zusatzrentenkasse der Caritasschwesternschaft - Freiburg (Breisgau) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen:
§ 2 Persönlicher Geltungsbereich
(a) Die Versorgungsordnung gilt für alle Mitarbeiter, auf welche Arbeitsvertragsrichtlinien Anwendung finden. ...
§ 3 Abschluß der Versicherung für die Grundversorgung
(a) Für die Grundversorgung der in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten sind ...