Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung. Zahlung einer Zulage. Auslegung einer Dienstvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Wird in einer Dienstvereinbarung die Zahlung einer Versetzungszulage u. a. davon abhängig gemacht, dass sich die Fahrzeit nicht nur unwesentlich erhöht, so kann bei der Bewertung des Begriffs „nicht nur unwesentlich” nicht auf absolute Zeitdifferenzen („mehr als 30 Minuten”) abgestellt werden.

2) Eine Verlängerung der Fahrzeit um 38 % ist nicht unwesentlich.

 

Normenkette

BV Pro-Dak § 6

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 05.05.2009; Aktenzeichen 11 Ca 7064/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.11.2010; Aktenzeichen 6 AZR 864/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 05.05.2009 – 11 Ca 7064/08 – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 766,95 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2008 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Versetzungszulage zu zahlen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit Jahren als Angestellte beschäftigt. Ihr bisheriger Dienstort befand sich bis Ende Juni 2008 auf der C. straße in N.. Die Entfernung zwischen der Wohnung der Klägerin und ihrer Arbeitsstätte betrug zu diesem Zeitpunkt 37,8 Kilometer. Mit Wirkung zum 01.07.2008 wurde die Klägerin im Rahmen einer Neuorganisation der Beklagten nach E. in die M.-F.-Allee versetzt. Die Entfernung zwischen dieser Dienststelle und dem Wohnort der Klägerin beträgt 58,19 Kilometer.

Zur Regelung der Neuorganisation und deren Wirkungen hatten der Vorstand der Beklagten und der bei ihr gebildete Hauptpersonalrat eine umfängliche Dienstvereinbarung (im Folgenden „DV Pro-DAK” genannte) geschlossen. In der DV Pro-DAK heißt es auszugsweise wie folgt:

§ 6 Mobilitätsfördernde Leistungen

(1) Mit den nachfolgend genannten Leistungen soll die Motivation der Beschäftigten geweckt bzw. gefördert werden, sich über die Zumutbarkeitsgrenzen des § 6 Abs. 6-8 der Anlage 12 EKT hinaus freiwillig versetzen zu lassen. Dabei sollen auftretende Nachteile für die Beschäftigten kompensiert oder abgemildert werden.

(…)

(3)Entscheiden sich Beschäftigte, obwohl ein Wohnortwechsel gem. § 6 Abs. 8 der Anlage 12 EKT möglich ist, nicht für einen solchen, erhalten sie die Versetzungszulage nach dem Tarifvertrag über Versetzungszulagen. Zusätzlich wird die tägliche Arbeitszeit für 6 Monate um 30 Minuten ohne Gehaltskürzung verringert.

(…)

Der § 6 der Anlage 12 zum EKT (Ablichtung Bl. 5 der Gerichtsakte) sieht in den Absätzen 6-8 folgende Regelungen vor:

(6) Ein Arbeitsplatz ist zumutbar, wenn entweder die tägliche Rückkehr zum Wohnort oder ein Wohnsitzwechsel möglich ist. Vorrangig ist dem Angestellten ein Arbeitsplatz nächstliegend zum bisherigen Dienst- oder Wohnort anzubieten.

(7) Die tägliche Rückkehr zum Wohnort iSd Abs. 6 ist möglich, wenn

  • die neue Dienststelle nicht weiter von der Wohnung des Angestellten entfernt ist als die bisherige oder
  • die neue Dienststelle nicht weiter als 25 km von der Wohnung des Angestellten entfernt ist oder
  • sich die Fahrzeit für Hin- und Rückfahrt unter Beibehaltung des bisher benutzten Beförderungsmittels nur unwesentlich erhöhen würde oder
  • der zeitliche Aufwand für den Hin- und Rückweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zweieinhalb Stunden nicht überschreitet.

(8) Ein Wohnsitzwechsel iSd Abs. 6 ist möglich, wenn nicht familiäre, gesundheitliche oder sonstige persönlichen Umstände des Angestellten einen Wohnsitzwechsel unzumutbar machen.

Der Tarifvertrag, der unter § 6 Abs. 3 der DV Pro-DAK in Bezug genommen wird, sieht für den Fall, dass die Anspruchsvoraussetzungen hinsichtlich der Klägerin erfüllt sind, während eines Gesamtzeitraumes von 30 Monaten eine Zahlung in Höhe von 153,39 EUR pro Monat vor.

Die Klägerin war in der Vergangenheit mit ihrem Pkw zur Dienststelle nach N. gefahren. Laut Routenplaner „Map 24” beträgt die Fahrzeit vom Wohnort der Klägerin zur Dienststelle nach N. in der C. straße 34 Minuten. Die Fahrzeit zur neuen Dienststelle beträgt laut Routenplaner 47 Minuten.

Nach ihrer Versetzung nach E. nimmt die Klägerin nunmehr öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch, um zu ihrer Dienststelle zu gelangen. Der tägliche Zeitaufwand für die Hin- und Rückfahrt beträgt 3 Stunden und 20 Minuten.

Nach ihrer Versetzung nach E. machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Zahlung der monatlichen Versetzungszulage gemäß § 6 Abs. 3 in Höhe von 153,39 EUR pro Monat geltend. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 08.09.2008 endgültig ab.

Mit ihrer am 21.11.2008 am Arbeitsgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und die Versetzungszulage in Höhe von insgesamt 766,95 EUR für die Monate Juli bis November 2008 geltend gemacht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen zur Zahlung der Zulage gem...

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