Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB. fristgemäßer Widerspruch gemäß § 613 a Abs. 6 BGB. Verwirkung. Annahmeverzug des Veräußerers
Leitsatz (redaktionell)
Eine nicht vollständige Information über das Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang setzt die Widerspruchsfrist nicht in Gang.
Die Weiterarbeit beim Erwerber stellt lediglich eine geeignete Maßnahme dar, den Vorwurf des böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs gemäß § 615 S.2 BGB zu vermeiden, führt aber nicht zur Verwirkung des Widerspruchsrechts.
Normenkette
BGB §§ 613a, 615, 124, 242
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 07.02.2006; Aktenzeichen 5 Ca 1592/05 lev) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 07.02.2006 – 5 Ca 1592/05 lev – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner am 03.08.2005 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass zwischen den Parteien bis zum 31.12.2005 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Zudem macht er gegenüber der Beklagten Zahlungsansprüche geltend. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber eines Betriebsteils der Beklagten wirksam widersprochen hat.
Der am 12.12.1945 geborene Kläger war ab dem 01.04.1972 für die Beklagte zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von zuletzt 8.351,00 EUR beschäftigt.
Neben der Fixvergütung steht dem Kläger eine Jahressondervergütung zu, welche im jeweiligen Monat Januar des Folgejahres ausgezahlt wird und 25.053,00 EUR brutto beträgt. Hinzu kommen Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sowie ein Bonus, der jeweils mit dem Maigehalt des Folgejahres ausgezahlt wird.
Der Kläger war schwerpunktmäßig im Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) tätig, der insbesondere die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte umfasste. Da dieser Geschäftsbereich seit mehreren Jahren einen massiven Umsatzrückgang zu verzeichnen hatte, hat die Beklagte zur Kostenreduzierung Personalabbaumaßnahmen durchgeführt. Dazu gehörte unter anderem auch der Abschluss von Vorruhestandsverträgen oder Altersteilzeitvereinbarungen, in denen den jeweiligen Arbeitnehmern zum Teil erhebliche finanzielle Leistungen zugesagt wurden.
Unter dem Datum vom 18.12.2003/12.01.2004 (Bl.16 der Akte) schlossen die Parteien eine Pensionierungsvereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Beklagten zum 31.12.2005 beendet worden ist. Des weiteren wurde vereinbart, dass der Kläger mit Wirkung ab dem 15.07.2005 unter Fortzahlung der Bezüge beurlaubt wird. Ab dem 01.01.2006 sollte der Kläger die laufenden Pensionsbezüge aus der betrieblichen Altersversorgung erhalten und am 31.01.2006 einen Einmalbetrag in Höhe von 113.612,24 EUR brutto.
Unter dem Datum vom 14.10.2004 schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste ab.
Ende des Jahres 2004 wurde der Geschäftsbereich CI im Wege eines Betriebsübergangs ausgegliedert und mit Wirkung zum 01.11.2004 auf die neu gegründete B. GmbH übertragen.
Für die von dem Teilbetriebsübergang betroffenen Belegschaftsmitglieder fanden Informationsveranstaltungen statt. Unter anderem hat die Beklagte eine solche Informationsveranstaltung am 19.08.2004 abgehalten, bei der der spätere Geschäftsführer der B. GmbH F. S., zum damaligen Zeitpunkt Mitglied des Vorstandes der Beklagten, Informationen zur wirtschaftlichen Situation der B. GmbH erteilte. Außerdem wurden die Arbeitnehmer in Mitarbeiterzeitschriften über den bevorstehenden Teilbetriebsübergang unterrichtet. Im Monat September 2004 befanden sich in den betriebsinternen Magazinen die Zahlenangaben für die Erwerberin B. GmbH von 300 Millionen Eigenkapitalsumme sowie 70 bzw. 72 Millionen Euro Barmittel.
Sämtliche dem Geschäftsbereich CI zugeordneten Arbeitnehmer der Beklagten haben im Oktober 2004 im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereichs CI eine im wesentlichen gleich lautende schriftliche Information erhalten. Die Informationsschreiben unterscheiden sich allerdings abhängig von der jeweiligen arbeitsvertraglichen Situation der betroffenen Mitarbeiter in Einzelfragen voneinander.
Mit Schreiben vom 22.10.2004 wurde auch der Kläger über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI informiert. Nach Hinweis auf die Informationspflicht gemäß § 613 a BGB und Wiedergabe des Textes von § 613 a Abs.5 und 6 BGB teilt die Beklagte mit, es werde hiermit „noch einmal” schriftlich die vorgesehene und mit dem Verhandlungsgremium des Gesamtbetriebsrates und der örtlichen Betriebsräte abgestimmte Information gegeben, auch wenn er – der Kläger – „aus der bisherigen Kommunikation bereits über die Einzelheiten informiert” sei. Unter Ziffer 2. wird ausgeführt, die B. GmbH übernehme das Vermögen von CI. Hierzu gehörte...