Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf den BAT nach dessen Nichtfortschreibung
Leitsatz (amtlich)
1. Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel
2. Schließung einer arbeitsvertraglichen Lücke aufgrund der Nichtfortschreibung des BAT durch ergänzende Vertragsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
1. Nimmt der Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag Bezug und nennt er als Vergütung einen festen Entgeltbetrag, dessen Bezeichnung als Tarifentgelt unter Nennung der konkreten tariflichen Vergütungsgruppe, so kann der Arbeitnehmer redlicherweise davon ausgehen, dass der in der Klausel festgehaltene Betrag nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein soll, sondern sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Gehaltstarifvertrages entwickelt.
2. Nimmt der Arbeitsvertrag auf den BAT Bezug, so ist die so ermittelte vertragliche Regelung mit Nichtfortschreibung des BAT lückenhaft geworden. Diese Lücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen.
3. Eine ergänzende Vertragsauslegung ergibt, dass sich die Vergütung im Zeitraum nach der Tarifsukzession ebenfalls im Bereich der Altenpflege nach dem TVöD für den Bereich der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VKA) richtet.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; BAT; TVöD-VKA
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 15.11.2016; Aktenzeichen 2 Ca 1043/16) |
Nachgehend
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 15.11.2016, 2 Ca 1043/16, wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob der Klägerin aus einer arbeitsvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung eine tarifliche Vergütung nach dem TV-L bzw. TVöD/VKA zusteht.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die ein Seniorenzentrum in F. betreibt, bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 21.04.1999 als Mitarbeiterin an der Telefonzentrale mit 122,85 Stunden monatlich beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag zwischen der "Einzelfirma Pflegezentrum D., Inhaber W. T." und der Klägerin vom 19.04.1999 ist unter anderem Folgendes geregelt:
"§ 2 Vergütung
Der Mitarbeiter erhält eine Grundvergütung entsprechend des BAT IXa/Stufe 9, inkl. Ortszuschlag und allgemeine Zulage i.H.v. DM 2.702,63; zuzgl. Zulagen für Samstags-, Sonntags-, Nacht- und Feiertagsarbeit entsprechend der Betriebsvereinbarung.
Mit dieser Vergütung sind alle weitergehenden Ansprüche aus der vereinbarten Tätigkeit abgegolten.
§ 3 Sonderzahlungen
In der Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993, welche ein Bestandteil dieses Arbeitsvertrages ist, sind alle Sonderzahlungen geregelt.
...
§ 9 Betriebsvereinbarung
Die als Anlage beigefügte Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993 ist Bestandteil des Arbeitsvertrages. Darüber hinaus gelten alle betrieblichen Regelungen, sofern in diesem Arbeitsvertrag keine andere Vereinbarung getroffen ist sowie die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsrechts."
Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages im Einzelnen wird auf Bl. 15 bis 18 der Akte Bezug genommen.
In der Betriebsvereinbarung vom 17.02.1993, die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Betriebsrat abgeschlossen worden ist, ist unter anderem geregelt:
"§ 2 Lohn- und Vergütungsrichtlinien
1. Für die Angestellten nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Angestellten des Bundes und der Länder vereinbarten Bestimmungen des Lohn- und Vergütungstarifvertrages - BAT - vom 11. Januar 1961.
2. Für die Arbeiter/-innen nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Arbeiter/-innen des Bundes und der Länder vereinbarten Lohntarifvertrages des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter vom 31. Januar 1962.
3. Für die Auszubildenden nach § 1 dieser Betriebsvereinbarung gelten analog die für die Auszubildenden des Bundes und der Länder vereinbarten Vergütungsregelungen des Manteltarifvertrages für Auszubildende vom 6. Dezember 1974.
4. Änderungen beziehungsweise Ergänzungen der Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 treten zu dem Zeitpunkt in Kraft, in denen die Änderungen beziehungsweise Ergänzungen für Angestellte, Arbeiter/-innen und Auszubildende des Bundes und der Länder wirksam werden.
5. Absatz 4 gilt sinngemäß für die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Bestimmungen, die außer Kraft treten."
In § 3 der Betriebsvereinbarung befinden sich von den Tarifverträgen abweichende "Sonderregelungen" zu Krankenbezügen, Zuwendungen bei Heirat, Geburten, Jubiläen sowie im Todesfall des Arbeitnehmers, zur Weihnachtszuwendung, zum Urlaubsgeld, zur Dienstbefreiung an Rosenmontag und zu Zeitzuschlägen.
Wegen des Inhalts der Betriebsvereinbarung im Einzelnen wird auf Bl. 19 bis 22 der Akte Bezug genommen.
Die Betriebsvereinbarung wurde mit Wirkung zum 31.12.2001 gekündigt.
Die Klägerin erhielt seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses eine Vergütung auf Basis des BAT. Ihr Gehalt wurde entsprechend ...