Entscheidungsstichwort (Thema)
Reduzierung der Sollarbeitszeit gem. § 8 Abs. 3 TV-V
Leitsatz (amtlich)
Anwendbarkeit des § 8 Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) auf einen Schichtdienstleistenden, dessen Nachtschicht am Feiertag beginnt und am Nachfeiertag endet (Fortführung von BAG 24.09.2015 - 6 AZR 510/14 - und 20.09.2017 - 6 AZR 143/16 -).
Leitsatz (redaktionell)
§ 8 Abs. 3 S. 1 TV-V ist auch dann anwendbar, wenn der Dienstplan für den Feiertag keine vollständige Freistellung vorsieht, weil die Nachtschicht am Feiertag beginnt.
Normenkette
TV-V § 8 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 15.12.2017; Aktenzeichen 1 Ca 2709/17) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 15.12.2017 - 1 Ca 2709/17 - abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, die Sollarbeitszeit des Klägers um die am 01.05.2017 dienstplanmäßig ausgefallenen 5,92 Arbeitsstunden in dem auf die Rechtskraft des Urteils folgenden Monat zu reduzieren.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Reduzierung der Sollarbeitszeit nach § 8 Abs. 3 Satz 1 Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V).
Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten angestellt. Er arbeitet als Elektrotechniker in der Netzleitwarte.
Der Kläger ist im Wechselschichtbetrieb 39 Stunden wöchentlich tätig. Aufgrund des Wechselschichtdienstes hat der Kläger eine tägliche Sollarbeitszeit von 8,17 Stunden. Er wird auch an Sonn- und Feiertagen zur Arbeit eingeteilt. Er leistet in der Regel an sechs aufeinanderfolgenden Tagen zuerst zwei Frühschichten, dann zwei Spätschichten und sodann zwei Nachtschichten, an die sich vier freie Tage anschließen. Damit im Jahresdurchschnitt eine Wochenarbeitszeit von 39 Stunden erreicht wird, werden von Zeit zu Zeit sogenannte Zusatzschichten eingefügt, zumeist zwei zusätzliche Früh- oder Nachtschichten.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-V kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit Anwendung. § 8 Abs. 3 TV-V lautet:
"(3) Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich für jeden gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt, um die dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden. Soweit es die betrieblichen Verhältnisse zulassen, wird der Arbeitnehmer am 24. Dezember und am 31. Dezember unter Fortzahlung des Entgeltes nach § 6 Abs. 3 von der Arbeit freigestellt. Kann die Freistellung nach Satz 2 aus betrieblichen Gründen nicht erfolgen, ist entsprechender Freizeitausgleich innerhalb von drei Monaten zu gewähren.
Protokollerklärung zu § 8 Abs. 3 Satz 1:
Die Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit betrifft die Arbeitnehmer, die wegen des Dienstplans am Feiertag freihaben und deshalb ohne diese Regelung nacharbeiten müssten."
Am 01.05.2017 war der Kläger zur Nachtschicht eingeteilt, die um 22:00 Uhr beginnt und um 06:10 Uhr des Folgetages endet. Er nahm seine Arbeit allerdings bereits um 21:45 Uhr auf. Tags zuvor hatte der Kläger Spätschicht. Die Beklagte vergütete dem Kläger die am 01.05.2017 geleistete Arbeitszeit von 2,25 Stunden, nahm jedoch für diesen Tag keine Reduzierung der Sollarbeitszeit vor. Nach dem Dienstplan für Mai 2017 ergab sich daher für den Kläger eine Sollarbeitszeit von 187,91 Stunden (23 Arbeitstage x 8,17 Stunden/Tag).
Mit seiner der Beklagten am 05.10.2017 zugestellten Klage hat der Kläger u. a. eine "Zeitgutschrift" von 6,17 Stunden für den 01.05.2017 verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, an diesem Tag seien für ihn dienstplanmäßig Stunden in diesem Umfang im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 TV-V ausgefallen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, seine Sollarbeitszeit um die am 01.05.2017 dienstplanmäßig ausgefallenen 6,17 Arbeitsstunden in dem auf die Rechtskraft des Verfahrens folgenden Monat zu reduzieren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich darauf berufen, die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 1 TV-V greife für den Kläger am 01.05.2017 nicht, da er aufgrund des Umstands, dass er ab 22:00 Uhr zur Arbeit eingeteilt war, nicht dienstplanmäßig frei gehabt habe.
Mit Urteil vom 15.12.2017, auf dessen Gründe im Einzelnen verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen.
Gegen das ihm am 26.01.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.02.2018 Berufung eingelegt und diese mit einem am 23.03.2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Zur Begründung seiner Berufung führt er aus, nach der auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gebotenen stundenbezogenen Betrachtungsweise komme eine Anwendung des § 8 Abs. 3 Satz 1 TV-V auch dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer nicht den ganzen Feiertag frei habe. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts widerspreche sein Begehren daher nicht dem Tarifwortlaut.
Im Berufungstermin hat der Kläger seine Klage mit Zustimmung der Beklagten um 0,25 Stunden zurückgenommen, und zwar im Hinblick darauf, dass die Beklagte ihm die am 01.05.2017 über den Dienstplan hinaus geleisteten 15 Mi...