Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzug. Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitgeber. Ärztliches Attest
Leitsatz (amtlich)
1. Eine den Annahmeverzug des Arbeitgebers nach §§ 293, 296 Satz 1 BGB ausschließende Unmöglichkeit der Arbeitsleistung (§ 297 BGB) liegt vor, sofern der Arbeitnehmer, obwohl er hierzu gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GesBergV vom 31.07.1991 (BGBl. I S. 1751) verpflichtet ist, nicht die in dieser Vorschrift genannte ärztliche Bescheinigung vorlegt.
2. Verweigert der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach dem Ende einer ihm von einem Arzt attestierten Arbeitsunfähigkeit die Wiederaufnahme der Arbeit, hat der Arbeitgeber in einem Rechtsstreit über die Zahlung von Annahmeverzugslohn (§§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1 BGB) im einzelnen darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer in dem fraglichen Zeitraum nach § 297 BGB objektiv nicht in der Lage war, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
Normenkette
BGB §§ 293, 296 S. 1, §§ 297, 611 Abs. 1, § 615 S. 1; GesBergV § 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Urteil vom 15.11.2002; Aktenzeichen 2 Ca 1534/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom15.11.2002 – 2 Ca 1534/01 – teilweise abgeändert und insgesamt zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 34.730,61 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus
- 2.388,13 EUR vom 01.06.2001 bis zum 30.06.2001
- 4.571,02 EUR vom 01.07.2001 bis zum 30.07.2001
- 6.856,53 EUR vom 01.08.2001 bis zum 31.08.2001
- 9.244,66 EUR vom 01.09.2001 bis zum 30.09.2001
- 11.324,93 EUR vom 01.10.2001 bis zum 31.10.2001
- 13.713,06 EUR vom 01.11.2001 bis zum 30.11.2001
- 15.998,57 EUR vom 01.12.2001 bis zum 31.12.2001
- 28.038,33 EUR vom 01.01.2002 bis zum 31.01.2002
- 30.500,02 EUR vom 01.02.2002 bis zum 28.02.2002
- 32.653,99 EUR vom 01.03.2002 bis zum 31.03.2002 und aus
- 34.730,61 EUR seit dem 01.04.2002
abzüglich am 01.04.2002 gezahlter 3.986,29 EUR brutto sowie abzüglich eines Betrages in Höhe von 15.311,43 EUR netto, der kraft Gesetzes auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen ist, zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 294,88 EUR netto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02.08.2002 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Auf die Widerklage der Beklagten wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 5.605,14 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.03.2003 zurückzuzahlen.
- Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
- Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
- Die in erster und zweiter Instanz entstandenen Kosten tragen die Beklagte zu 3/4 und der Kläger zu 1/4.
- Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Der am 20.09.1957 geborene Kläger ist seit dem 19.01.1984 bei der Beklagten, zuletzt als Hauer in der Aus- und Vorrichtung, Lohngruppe 11, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Seit dem 15.04.1999 war der Kläger jedenfalls bis zum 30.04.2001 durchgehend arbeitsunfähig. Unter dem 05.10.1999 beantragte er eine Rente wegen Berufungsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI. Diesen Antrag wies die Bundesknappschaft mit Bescheid vom 18.01.2000 zurück. In dem Bescheid heißt es u. a.:
„Im Rahmen der ärztlichen Untersuchungen wurden folgende Befunde erhoben: Geringgradige Gon- und Fernoropatellararthrose rechts, Verschmächtigung der linken unteren Extremität mit Beinverkürzung und Ballenhohlfußbildung, kombinierte Fettstoffwechselstörung, Adipositas, Leberzellschaden, nicht insulinbehandelter Diabetes mellitus, Silikose p1/p1.
Aufgrund dessen werden Sie noch für fähig erachtet, folgende Arbeiten zu verrichten: sonstiger Hilfsarbeiter, Lader an automatischen Ladestellen, Sprengmittelausgeber, Bandwärter im Bergbau unter Tage, Hängebankarbeiter 1, Lampenstubenarbeiter, Lampenwärter, Pförtner im Bergbau über Tage sowie außerhalb des Bergbaus als Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel (Lohngruppe V). Die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel (Lohngruppe V) ist Ihnen im oben genannten Sinne zumutbar und ermöglicht es Ihnen, die Hälfte Ihres Hauptberufsverdienstes zu erzielen.
Bei diesem Sachverhalt liegt Berufsunfähigkeit nicht vor.”
Mit Bescheid vom 06.03.2000 bewilligte die Bundesknappschaft dem Kläger eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau im Sinne des § 45 Abs. 2 SGB VI.
Mit Bescheid vom 05.07.2000 erkannte das Versorgungsamt Gelsenkirchen – Zentralstelle für den Bergmannsversorgungsschein NRW – auf Antrag des Klägers vom 18.01.2000 diesem rückwirkend zum 15.04.1999 den Bergmannsversorgungsschein zu.
Am 16.01.2001 beantragte die Beklagte bei der zuständigen Hauptfürsorgestelle sowie bei der Zentralstelle für den Bergmannsversorgungsschein die Zustimmung zu einer beabsichtig...