Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersteilzeit. Insolvenz. Masseverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ansprüche des Arbeitnehmers aus einem vor Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Altersteilzeitvertrag stellen unabhängig davon, ob sich der Arbeitnehmer noch in der Arbeitsphase oder schon in der Freistellungsphase befindet, Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. InsO dar.
2. Arbeitsentgelt im Sinn des Altersteilzeitvertrags ist auch das um die Aufstockungsbeträge erhöhte Arbeitsentgelt.
3. Masseverbindlichkeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen jedenfalls dann keine neue Masseverbindlichkeiten i.S.v. § 202 Abs. 2 Nr. 2 InsO dar und werden daher von dem Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO erfaßt, wenn die sich aus dem gegenseitigen Vertrag ergebende Leistung des anderen Teils nicht der Masse zugute gekommen ist.
Normenkette
InsO § 55 Abs.1, § 202 Abs. 2, § 210
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Berufung und Anschlussberufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 06.03.2003 werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.
3. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die insolvenzrechtliche Behandlung von Forderungen aus einem zwischen ihnen vor Insolvenzeröffnung abgeschlossenen Altersteilzeitvertrages, insbesondere darüber, ob es sich hierbei um einfache Insolvenzforderungen handelt.
Der Altersteilzeitvertrag zwischen den Parteien wurde am 08.08.2000 abgeschlossen, die vom Kläger danach zu erbringende reduzierte Arbeitszeit (Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit) ist danach so verteilt, dass der Kläger in der Zeit vom 01.011.2000 bis 31.08.2002 mit normaler voller Arbeitszeit arbeitet (Arbeitsphase) und in der Zeit vom 01.09.2002 bis 30.06.2004 freigestellt wird (Freistellungsphase). Das hiernach zu zahlende Entgelt ist unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit zu zahlen.
Am 01.09.2002 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet (Bl. 30 d. A.), in dem Beschluss wurde zugleich Masseunzulänglichkeit festgestellt.
Unter dem 02.09.2002 wurde der Kläger hierüber von der Beklagten unterrichtet, zugleich wurde mitgeteilt, dass der Altersteilzeitvertrag unberührt bliebe, die Ansprüche jedoch aus liquiditäts- und insolvenzrechtlichen Gründen nicht befriedigt werden könnten, der Kläger daher unter Umständen ein Leistungsverweigerungsrecht habe und er vorsorglich aufgefordert werde, Arbeitslosengeld zu beantragen.
Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses seitens der Beklagten erfolgte nicht.
Seit dem 01.09.2002 erbrachte der Kläger keine Arbeitsleistung mehr für die Beklagte, mit vorliegender Klage nimmt er die Beklagte auf Zahlung der Gehälter ab September 2002 bis Januar 2003, hilfsweise auf Feststellung seiner Forderungen als Masseverbindlichkeit in Anspruch.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klage sei schon deshalb unzulässig, weil – unabhängig von der Qualifizierung der Forderungen als einfache Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeit – das Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO greife. Die Unzulänglichkeit der Masse sei auch ordnungsgemäß durch den vorläufigen Insolvenzverwalter angezeigt worden unter dem 26.08.2002 (Anlage B 2, Bl. 133 d. A.); diese ausdrückliche Anzeige habe sich der durch den Eröffnungsbeschluss vom 01.09.2002 bestellte Sachverwalter zu Eigen gemacht.
Unabhängig hiervon sei jedenfalls mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 210 InsO ein Vollstreckungsverbot für Altmasseverbindlichkeiten im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO eingetreten.
Vorliegend handle es sich auch um keine Ansprüche aus sogenannten Neumasseverbindlichkeiten im Sinne des § 209 Abs. 2 InsO.
Zumindest seien die Aufstockungsbeträge nicht als Arbeitsentgelt zu qualifizieren sondern hätten als freiwillige Sozialleistung des Arbeitgebers den Charakter einer Abfindung.
Der Kläger vertritt demgegenüber den Standpunkt, dass alle Ansprüche, einschließlich der Aufstockungsbeträge Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO seien. Jedenfalls für Ansprüche aus Januar 2003 greife das Vollstreckungsverbot nach § 210 InsO nicht, weil es sich hierbei um Neumasseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO handle.
Da eine ordnungsgemäße Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht vorliege – diese setze nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO ein eröffnetes Insolvenzverfahren voraus – greife das Vollstreckungsverbot auch nicht für die geltend gemachten Ansprüche bis Dezember 2002.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.859,60 EUR brutto abzüglich eines auf den Nettobetrag anzurechnenden Arbeitslosengeldbetrages in Höhe von 6.020,00 EUR sowie abzüglich eines Pensionskassenbeitragarbeitnehmeranteils in Höhe von 260,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz...