Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungsverfügung
Leitsatz (amtlich)
Das Interesse des Arbeitnehmers an der Erzielung von Lohneinkünften („Notbedarf”) gibt keinen Verfügungsgrund für eine Beschäftigungsverfügung (wie LAG Köln 10.09.2004 – 4 Ta 298/04 – Juris Rn. 4).
Normenkette
ZPO §§ 935, 938, 940; BGB §§ 611, 613a; KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 14.09.2010; Aktenzeichen 2 Ga 40/10 lev) |
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Solingen vom 14.09.2010 wird der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Antragsteller.
Gegen dieses Urteil findet kein Rechtsmittel statt.
Tatbestand
A. Der Antragsteller will durch einstweilige Verfügung die Antragsgegnerin verpflichtet wissen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss eines gegen den Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin geführten Kündigungsrechtsstreits zu beschäftigen.
Der Antragsteller trat am 23.10.1990 als gewerblicher Arbeitnehmer in die Dienste der U. GmbH M.. Im Jahre 2007 ging das Arbeitsverhältnis auf die U. G. Services GmbH (jetzt: T. 4 GmbH) über. Am 01.03.2009 wurde über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 11.03.2009 kündigte der Insolvenzverwalter im Rahmen einer Massenentlassung auch das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgerecht zum 30.06.2009. Am 20.04.2009 veräußerte er den Betrieb an die Antragsgegnerin.
Der gegen die Kündigung vom 11.03.2009 erhobenen Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht Solingen am 24.06.2010 statt (Gesch.-Nr. 1 Ca 649/09 lev). Die Berufung des Insolvenzverwalters wurde vom Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 10.11.2010 zurückgewiesen (Gesch.-Nr. 12 Sa 1321/10). Das Landesarbeitsgericht hat wegen der entscheidungserheblichen Frage, ob die Fehlerhaftigkeit der Massenentlassungsanzeige des Insolvenzverwalters die Unwirksamkeit der Kündigung nach sich zieht, die Revision zugelassen.
Der Antragsteller erhob Ende Juli 2010 Klage gegen die Antragsgegnerin auf Weiterbeschäftigung und Verzugslohn (ArbG Solingen 2 Ca 1082/10). Nach erfolgloser Güteverhandlung hat das Arbeitsgericht Kammertermin auf den 30.11.2010 anberaumt.
Mit dem am 06.09.2010 beim Arbeitsgericht Solingen eingereichten Verfügungsantrag hat der Antragsteller von der Antragsgegenerin begehrt, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits ArbG Solingen 1 Ca 649/09 lev = LAG Düsseldorf 12 Sa 1321/10 zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen gegen ein Monatsentgelt von EUR 3.338,76 brutto weiterbeschäftigt zu werden.
Er macht geltend, nach dem Wechsel vom ALG I zu ALG II zum 01.03.2010 und dem Bezug von monatlich EUR 1.004,89 (ab September 2010) in zunehmende Verschuldung geraten zu sein. Sein Girokonto habe er inzwischen um EUR 3.470,00 überzogen. Die für seine Eigentumswohnung zu leistende monatliche Tilgungsrate habe die Bausparkasse lediglich befristet bis Februar 2011 auf EUR 381,00 gesenkt. Um der akuten finanziellen Notlage begegnen zu können, bedürfe er – so trägt der Antragsteller vor – dringend der Beschäftigung durch die Antragsgenerin, um mit den hieraus zu erzielenden Lohneinkünften seine wirtschaftliche Existenz sichern zu können.
Die Antragsgegnerin negiert das Vorliegen eines Verfügungsgrundes.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 14.09.2010 dem Antrag stattgegeben. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Antragsgenerin das Urteil, auf das hiermit zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens an. Sie beantragt die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückweisung des Verfügungsantrages. Der Antragsteller verteidigt das Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
B. Die Berufung hat Erfolg. Es fehlt an einem Verfügungsgrund (§ 935, § 940 ZPO), so dass die beantragte Verfügung zurückzuweisen ist.
I. Mit der einstweiligen Verfügung auf tatsächliche Beschäftigung wird keine Sicherungsverfügung, sondern eine Leistungsverfügung (Befriedigungsverfügung) begehrt.
Nach ganz herrschender Auffassung ist eine Leistungsverfügung (ausnahmsweise) zulässig. Dabei sind an den Verfügungsgrund (§ 940 ZPO) strenge Anforderungen zu stellen: (1) Der Antragsteller muss auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein, (2) die geschuldete Handlung ist, wenn sie ihren Sinn nicht verlieren soll, so kurzfristig zu erbringen, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist, und (3) der dem Antragsteller aus der Nichterfüllung drohende Schaden steht außer Verhältnis zu dem Schaden, der dem Antragsgegner aus der sofortigen – vorläufigen – Erfüllung droht.
Indem diese Kriterien auch für die Beschäftigungsverfügung zu gelten haben, genügt als Verfügungsgrund nicht der sukzessiv...