Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Regelung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Absenkung auf 80 %
Leitsatz (amtlich)
1. Die Protokollnotiz zu § 10 MTV Großhandel NRW i.d.F. vom 09.07.1997 stellt eine eigenständige tarifliche Regelung dar. Für die angeführten Fallgruppen galt in der Zeit vom 01.01. bis zum 30.06.1997 altes Tarifrecht weiter, hier § 10 Nr. 2 a MTV Großhandel NRW i.d.F. vom 26.05.1994.
2. § 10 Nr. 2 a MTV Großhandel NRW a. F. verdrängte als konstitutive Regelung das dispositive Gesetzesrecht der §§ 3, 4 EFZG. Nach dieser Tarifbestimmung hatten die Arbeitnehmer des Großhandels in NRW unverändert über den 01.10.1996 hinaus im Krankheitsfall einen 100 %igen Entgeltfortzahlungsanspruch.
Normenkette
EFZG §§ 3-4; MTV Großhandel NRW (i.d.F. vom 26.05 gültig ab 01.01.1994) § 10 Nr. 2a
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 10.07.1997; Aktenzeichen 1 Ca 1091/97) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 10.07.1997 – 1 Ca 1091/97 – abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.771,38 DM brutto nebst 4 % Zinsen ab dem 15.05.1997 zu zahlen.
II. Die Beklagte hat gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für Tage in den Monaten Februar und März 1997, an denen er arbeitsunfähig erkrankt war, Krankenvergütung lediglich in gesetzlicher Höhe (80 %) oder aufgrund Tarifvertrages in voller Höhe (100 %) des für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitsentgelts zusteht. Der vom Kläger eingeforderte Differenzbetrag beläuft sich – der Höhe nach streitlos – auf 1.771,38 DM brutto.
Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Großhandelsunternehmen, als Kraftfahrer beschäftigt. Die Parteien sind kraft Organisationszugehörigkeit an die Tarifverträge des Groß- und Außenhandel NRW gebunden. Die Tarifvertragsparteien haben in einer Protokollnotiz zu § 10 des am 01.01.1997 in Kraft getretenen Manteltarifvertrages für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW (vom 09.07.1997) folgendes festgehalten:
„Es besteht Einigkeit darüber, daß die Tarifvorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 10 Ziff. 2) für Arbeitnehmer, die in der Zeit vom 01.01.1997–30.06.1997 eingestellt wurden, für diesen Zeitraum keine Anwendung finden; weiterhin gilt in dieser Zeit für alle übrigen Arbeitnehmer, daß erbrachte Leistungen oder vorgenommene Kürzungen bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall unabhängig von der Neuregelung Bestand haben, es sei denn, sie sind gerichtlich anhängig gemacht worden. Für diese Fälle gelten die Tarifvorschriften aus dem Manteltarifvertrag vom 26.05.1994.”
Die Tarifvorschriften aus dem Manteltarifvertrag vom 26.05.1994 (im folgenden: MTV Großhandel NRW) regeln die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle unter der Überschrift „Arbeitsversäumnis” in § 10 Nr. 2 a bis c) wie folgt:
„2.
- Wird der Arbeitnehmer durch unverschuldete Arbeitsunfähigkeit, während einer von einem Sozialleistungsträger bewilligten Kur mit anschließender Schonungszeit oder wegen während der Arbeitszeit notwendigen, aus medizinischen Gründen angeordneten Untersuchungs- oder Behandlungsterminen an der Leistung der Dienste verhindert, so behält er für die Dauer von höchstens sechs Wochen den Anspruch auf seine Bezüge.
- Die dem Arbeitnehmer bei Krankheit weiterzuzahlende Vergütung bemißt sich nach § 8 Nr. 3; bei abweichender Verteilung der Arbeitszeit gemäß § 2 Nr. 2 gilt die festgelegte Arbeitszeit als geleistet.
- Bei längerer Krankheit und mehr als fünfjähriger Betriebszugehörigkeit kann der Unterschiedsbetrag zwischen dem Netto-Entgelt und dem Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. dem Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. dem Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bis zur Dauer von drei Monaten, bei mehr als zehnjähriger Betriebszugehörigkeit nach freiem Ermessen darüber hinaus gezahlt werden.”
§ 8 Nr. 3 des MTV Großhandel NRW lautet:
„3.
- Während des Urlaubs hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts.
Erhält der Arbeitnehmer neben seinem Gehalt/Lohn oder ausschließlich in ihrem Umfang wechselnde Prämien. Provisionen, Akkordvergütungen oder sonstige Zulagen, so hat er während des Urlaubs Anspruch auf die Bezüge, die dem monatlichen Durchschnitt der letzten 12 Monate vor Urlaubsantritt entsprechen. Bei kürzerer Beschäftigungsdauer ist der Durchschnittsverdienst dieser Zeit zugrunde zu legen.
Das gleiche gilt sinngemäß bei Mehr-, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit. Provisionen und Prämien für während des Urlaubs abgeschlossene Geschäfte sind auf die zu zahlende Vergütung anzurechnen.”
Der Kläger meint, ungeachtet der durch die Neufassung des § 4 Abs. 1 EFZG ab dem 01.10.1996 beschränkten Krankenvergütung auf nunmehr 80 % des regelmäßigen Arbeitsentgelts stehe ihm die volle Entgeltfortzahlung zu, § 10 Nr. 2 a letzter Halbsatz MTV Großhandel NRW räume ihm einen solchen Anspruch ein. Die Bezüge „zu behalten” k...