Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers. Widerspruch der Arbeitnehmer. Verwirkung des Widerspruchsrechts der Arbeitnehmer. Rechtzeitiger Widerspruch. Fehlerhafte Unterrichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Weder durch eine unterbliebene noch durch eine nicht ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613 a Abs. 5 BGB wird die Frist des § 613 a Abs. 6 BGB ausgelöst (im Anschluss an BAG, Urteil vom 24.05.2005 – 8 AZR 398/04 – AP Nr. 284 zu § 613 a BGB).
2. Das Widerspruchsrecht nach § 613 a Abs. 6 BGB kann nach allgemeinen Grundsätzen verwirken. Dabei ist zur Beurteilung des Zeitmoments nicht auf eine starre zeitliche Grenze abzustellen.
3. Kann der Veräußerer eines Betriebs nicht darauf vertrauen, dass die von der Veräußerung betroffenen Mitarbeiter nach fehlerhafter Unterrichtung nicht mehr widersprechen werden, so kann die Ausübung des Widerspruchsrechts auch noch länger als ein Jahr nach dem Betriebsübergang stattfinden.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1, 5-6, § 242
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 18.08.2006; Aktenzeichen 2 Ca 539/06 lev) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil desArbeitsgerichts Solingen vom18.08.2006 –2 Ca 539/06 lev – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht und in diesem Zusammenhang insbesondere darüber, ob der Kläger anlässlich eines Betriebsübergangs sein Widerspruchsrecht nach § 613 a Abs. 6 BGB rechtzeitig und rechtswirksam ausgeübt hat.
Der am 30.01.1970 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 22.08.1988 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er war zuletzt im Bereich Consumer Imaging (CI) eingesetzt und erhielt eine monatliche Vergütung von 3.096,07 EUR brutto.
Mit Schreiben vom 22.10.2004 informierte die Beklagte den Kläger und die weiteren betroffenen Kolleginnen und Kollegen über die geplante Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die B. Photo Germany GmbH. In dem Schreiben heißt es unter anderem wie folgt:
(…)
die B. Deutschland Vertriebsgesellschaft mbH & Cie. KG plant, ihren Geschäftsbereich Consumer Imaging (CI) mit Wirkung zum 01. November 2004 auf die B. Photo Germany GmbH zu übertragen.
(…)
2. Zum Grund für den Übergang:
Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbstständigung des Geschäftsbereichs CI in der B. Photo Germany GmbH und deren anschließende Einbringung in die B. Photo GmbH. Letztere wird direkt im Anschluss daran an die O. O Foto GmbH veräußert. Geschäftsführer der B. Photo Germany GmbH wird ab dem Zeitpunkt des geplanten Übergangs Herr J. T. sein.
(…).
Die B. Photo GmbH mit Sitz in M. umfasst das gesamte bisherige CI-Geschäft der B. H. AG, also die Geschäftsfelder Film Finishing und Laborgeräte. B. Photo GmbH übernimmt das Vermögen von CI. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.
(…)
Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken zu bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.
(…)
3. Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:
Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs CI tritt die B. Photo Germany GmbH in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben die B. Deutschland Vertriebsgesellschaft mbH & Cie. KG, die B. Photo Germany GmbH und der Betriebsrat der B. Deutschland Vertriebsgesellschaft mbH & Cie. KG am 28. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung „zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen” abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:
- Die bei der B. Deutschland Vertriebsgesellschaft mbH & Cie. KG verbrachten und/oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei B. Photo Germany GmbH anerkannt.
- Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch bei B. Photo Germany GmbH bestehen, d. h. es bleibt bei den Chemie-Tarifen.
- Hinsichtlich der Bonus-Regelung für den Zeitraum ab 01.01.2004 werden die Mitarbeiter der B. Photo Germany GmbH so behandelt, als seien sie Mitarbeiter der B. Deutschland Vertriebsgesellschaft mbH & Cie. KG, d. h., wenn der Vorstand für die B.- H.-Gruppe eine solche Zahlung beschließt, wird sie entsprechend auch bei B. Photo Germany GmbH erfolgen.
- Die übergehenden Mitarbeiter können ihre ordentliche Mitgliedschaft in der Bayer-Pensionskasse fortsetzen. Die Abstimmung mit der Bayer-Pensionskasse ist bereits erfolgt. Die erworbenen Anwartsch...