Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung des Widerspruchsrechts gegen Betriebsübergang nach sieben Jahren widerspruchsloser Weiterarbeit. Unbeachtlichkeit fehlender Übergangsinformationen durch Arbeitgeber bei Verwirkung des Widerspruchsrechts. Keine Abweichung von Regelfrist für Verwirkung bei tariflich vereinbartem Rückkehrrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Bei nicht ordnungsgemäßer, aber die "grundlegenden Informationen" enthaltender Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang iSv. § 613a Abs. 5 BGB führt nach der Rechtsprechung des BAG dessen widerspruchslose Weiterarbeit bei dem neuen Inhaber über einen Zeitraum von sieben Jahren regelmäßig zur Verwirkung des Widerspruchsrechts (zuletzt etwa BAG 24.08.2017 - 8 AZR 265/16, juris).
2. Ein tarifvertraglich vereinbartes Rückkehrrecht zum Veräußerer für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung des Erwerbers innenhalb von ca. 5 Jahren führt weder zu einem späteren Beginn noch zu einer Verlängerung dieser regelmäßigen Verwirkungsfrist
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5, § 242
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 11.09.2020; Aktenzeichen 4 Ca 171/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 11.09.2020; Aktenzeichen 4 Ca 196/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 23.06.2020; Aktenzeichen 2 Ca 195/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 18.06.2020; Aktenzeichen 1 Ca 967/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 18.06.2020; Aktenzeichen 1 Ca 237/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 18.06.2020; Aktenzeichen 1 Ca 194/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 18.06.2020; Aktenzeichen 1 Ca 256/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 17.06.2020; Aktenzeichen 5 Ca 197/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 17.06.2020; Aktenzeichen 5 Ca 235/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 17.06.2020; Aktenzeichen 5 Ca 172/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 08.06.2020; Aktenzeichen 6 Ca 198/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 08.06.2020; Aktenzeichen 6 Ca 236/20) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 08.06.2020; Aktenzeichen 6 Ca 173/20) |
Nachgehend
Tenor
I.
Die Berufungen der Kläger zu 1. bis 13. gegen die Urteile des Arbeitsgerichts Essen
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vom 08.06.2020 - 6 Ca 173/20 - (Kläger zu 1.),
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vom 08.06.2020 - 6 Ca 236/20 - (Klägerin zu 2.),
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vom 08.06.2020 - 6 Ca 198/20 - (Klägerin zu 3.),
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vom 17.06.2020 - 5 Ca 172/20 - (Kläger zu 4.),
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vom 17.06.2020 - 5 Ca 235/20 - (Klägerin zu 5.),
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vom 18.06.2020 - 1 Ca 256/20 - (Klägerin zu 6.),
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vom 18.06.2020 - 1 Ca 194/20 - (Klägerin zu 7.),
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vom 18.06.2020 - 1 Ca 237/20 - (Klägerin zu 8.),
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vom 17.06.2020 - 5 Ca 197/20 - (Klägerin zu 9.),
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vom 18.06.2020 - 1 Ca 967/20 - (Klägerin zu 10.),
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vom 23.06.2020 - 2 Ca 195/20 - (Klägerin zu 11.),
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vom 11.09.2020 - 4 Ca 196/20 - (Klägerin zu 12.) und
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vom 11.09.2020 - 4 Ca 171/20 - (Klägerin zu 13.)
werden zurückgewiesen.
II.
Die Klageparteien zu 1. bis 13. tragen ihre außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz jeweils selbst. Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens haben
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der Kläger zu 1. zu 9 %,
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die Klägerin zu 2. zu 6 %,
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die Klägerin zu 3. zu 6 %,
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der Kläger zu 4. zu 10 %,
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die Klägerin zu 5. zu 7 %,
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die Klägerin zu 6. zu 9 %,
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die Klägerin zu 7. zu 8 %,
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die Klägerin zu 8. zu 3 %,
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die Klägerin zu 9. zu 8 %,
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die Klägerin zu 10. zu 15 %,
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die Klägerin zu 11. zu 3 %,
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die Klägerin zu 12. zu 8 % und
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die Klägerin zu 13. zu 8 %.
zu tragen.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob die 13 Klageparteien einem im Jahr 2011 durchgeführten Betriebsübergang im Jahre 2019 rechtswirksam widersprochen haben.
Der beklagte Verband ist die regionale Selbstverwaltungskörperschaft von Betriebskrankenkassen der Region Nordwest (Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen). Er betrieb in F. als Eigenbetrieb mit eigenem Leiter und Wirtschaftsplan ein Apothekenabrechnungszentrum. Dort waren zuletzt etwa 27 Arbeitnehmer als Angestellte beschäftigt, darunter die 13 Klageparteien. Für ihre Arbeitsverhältnisse galten die auf den Beklagten seinerzeit anwendbaren Tarifverträge. Zu einem nicht geringen Anteil waren die langjährig beschäftigten Arbeitnehmer tariflich unkündbar.
In den Jahren 2009/2010 zogen mehrere Betriebskrankenkassen ihre dem Beklagten erteilten Apothekenabrechnungsaufträge zurück. Hierdurch wurde der Bereich der Abrechnungen defizitär. Vor diesem Hintergrund traf der Beklagte die Entscheidung, das Abrechnungszentrum im Rahmen einer Restrukturierungsvereinbarung auf eine privatrechtliche Gesellschaft, die Q. plus GmbH & Co. KG (Q. plus) zu übertragen. Deren Kommanditi...