Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung. Witwenrente. Altersdifferenzklausel

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung in einer betrieblichen Versorgungsordnung, wonach Leistungen an die Witwe oder den Witwer nicht in Betracht kommen, wenn diese über 15 Jahre jünger als der Mitarbeiter sind, verstößt nicht gegen Art. 3 und 6 GG.

 

Normenkette

GG Art. 3, 6; BetrAVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Essen (Urteil vom 22.02.2005; Aktenzeichen 7 Ca 4881/04)

 

Nachgehend

BAG (Vorlegungsbeschluss vom 27.06.2006; Aktenzeichen 3 AZR 352/05 (A))

 

Tenor

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 22.02.2005 – 7 Ca 4881/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ein betriebliches Altersruhegeld zu zahlen.

Die im Jahre 1965 geborene Klägerin war seit 1986 mit dem im Jahre 1944 geborenen und am 05.05.2004 verstorbenen Herrn N. I. C. verheiratet. Dieser trat am 01.03.1988 auf der Grundlage eines Anstellungsvertrages vom 23.02.1988 (Bl. 5 d. A.) in die Dienste der Beklagten am Standort F. ein und war für diese bis zu seinem Tode als Verkäufer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Beklagten fanden die „Richtlinien der C.-T. Hausgeräte Altersfürsorge GmbH vom 01.01.1984 in der Fassung vom 01.04.1992” (im Folgenden „Richtlinien” genannt) Anwendung. Diese enthielten hinsichtlich der Zahlung eines Witwengeldes unter anderem folgende Regelungen:

§ 6

Voraussetzungen für das Ruhegeld

(4) Ruhegeld (§ 5 Abs. 1 b) wird an die Witwe/den Witwer eines Mitarbeiters gezahlt, der während seines Beschäftigungsverhältnisses bei der C.HG verstorben ist und die Wartezeit (§ 2) erfüllt hatte, wenn und solange ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente (Witwen-/Witwerrente) aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Entsprechendes gilt für die Witwe/den Witwer eines Ruhegeldempfängers.

Leistungen kommen nicht in Betracht, wenn

  1. die Witwe/der Witwer über 15 Jahre jünger als der ehemalige Mitarbeiter ist,
  2. die Ehe bei Ausscheiden des Mitarbeiters aus der C.HG weniger als 5 Jahre bestanden hat,
  3. die Ehe geschieden ist,
  4. die Ehegatten getrennt gelebt haben.

Bei Wiederverheiratung der Witwe/des Witwers entfällt das Ruhegeld.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Richtlinie wird im Übrigen auf Blatt 6 bis 13 der Akten verwiesen.

Nach dem Tode ihres Ehemannes machte die Klägerin als Witwe gegenüber der Beklagten die Zahlung des entsprechenden Ruhegeldes geltend. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 01.09.2004 (Bl. 14 d. A.) endgültig ab.

Mit ihrer am 15.11.2004 beim Arbeitsgericht Essen anhängig gemachten Klage hat die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiterverfolgt und die Auffassung vertreten, dass die Ehegattenklausel in § 6 der Richtlinien unwirksam sei. Sie hat hierzu ausgeführt, der Ausschluss der Witwenrente bei einer Altersunterschiedsgrenze von nur 15 Jahren könne nicht mit dem Argument einer „Versorgungsehe” begründet werden. Hinzu komme, dass die Klägerin ihren Ehemann noch vor dem Abschluss des Anstellungsvertrages mit der Beklagten geheiratet und ihn während der gesamten Arbeitszeit fürsorglich unterstützt hätte. Insgesamt benachteilige die Ehegattenklausel die Klägerin somit gegenüber anderen Ehepaaren, die altersmäßig weniger als 15 Jahre auseinander lägen, ohne dass es hierfür einen sachlichen Grund gäbe.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Ruhegeld nach den Richtlinien der C. und T. Hausgeräte Altersfürsorge GmbH zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Altersdifferenzklausel unter Hinweis auf die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung für zulässig erachtet und auch den Zeitraum von 15 Jahren für noch akzeptabel angesehen. Die Beklagte hat weiter die Auffassung vertreten, aufgrund der Vertragsfreiheit und der Tatsache, dass es sich um eine freiwillige Leistung der Beklagten handele, ergebe sich, dass eine liberale Handhabung bei der rechtlichen Beurteilung der Klausel möglich sein müsse. Danach stünde Art. 6 Abs. 1 GG der Regelung genauso wenig entgegen wie Art. 3 Abs. 1 GG. In diesem Zusammenhang müsse insbesondere berücksichtigt werden, dass einer Witwe, die ihren Ehemann in jungen Jahren verliere, eine Berufstätigkeit noch eher zugemutet werden könnte und diese auch möglich sei. Hinzu komme darüber hinaus ein finanzieller Aspekt: Würde dem Arbeitgeber die Möglichkeit genommen zu differenzieren, wäre das finanzielle Risiko für ihn nahezu unkalkulierbar. Mit der Altersdifferenzklausel sei es demgegenüber möglich, unter Beachtung der durchschnittlichen statistischen Versorgungsdauer eine maximale Versorgungsdauer von hier 23 Jahren zu kalkulieren (vgl. hierzu die Berechnung der Beklagten auf Bl. 28 und 29 d. A.).

Mit Urteil vom 22.02.2005 hat die 7. Kammer des Arbeitsgerichts Essen – 7 Ca 4881/04 – die Klage abgewiesen. In den Entscheid...

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