Entscheidungsstichwort (Thema)
Wet-Lease-Geschäft auf Grundlage des sogenannten ACMIO-Vertrags kein Betriebsübergang. Keine Begründung eines Arbeitsverhältnis wegen verbotener Arbeitnehmerüberlassung. Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und drittbezogener Arbeitnehmerüberlassung. Rechtsmissbrauch bei gesetzeswidriger Umgehung einer eigentlich bestehenden Arbeitnehmerüberlassung. Einleitung einer unumkehrbaren Betriebsänderung als Verstoß gegen § 17 Abs. 2 KSchG. Parallelentscheidung zu LAG Düsseldorf 4 Sa 107/21 v. 11.08.2021
Leitsatz (amtlich)
Parallelentscheidung zu dem Urteil der 4. Kammer vom 11.08.2021 - 4 Sa 107/21
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1; KSchG § 17 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 11.12.2020; Aktenzeichen 1 Ca 4613/20) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 11.12.2020 - Az. 1 Ca 4613/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund betriebsbedingter Kündigung des Beklagten zu 1) beendet worden ist sowie darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund eines Betriebsübergangs oder aber aufgrund verbotener Arbeitnehmerüberlassung mit der Beklagten zu 2) besteht.
Der Beklagte zu 1) ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Luftfahrtgesellschaft X. mbH (im Folgenden: Schuldnerin), einer deutschen Fluggesellschaft mit zuletzt ca. 348 Mitarbeitern im Bereich Boden, Cockpit und Kabine. Ihr Geschäftssitz war B.. Für die Arbeitnehmer des Bereichs Cockpit war gemäß § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG durch den Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 1 vom 05./10.02.2014 (im Folgenden TV-PV) eine Personalvertretung Cockpit (im Folgenden PV Cockpit) errichtet worden. Die Beklagte zu 2) ist eine Fluggesellschaft des M.-Konzerns mit ca. 9.000 Mitarbeitern und Sitz in B..
Der 41 Jahre alte Kläger (verheiratet, 2 Kinder) war seit dem 01.03.2009 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 15.01.2009 bei der Schuldnerin als Kapitän und Technical Pilot zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 14.185,05 € beschäftigt. Er war zuletzt am G. T. stationiert und wurde ausschließlich auf Flugzeugen des Typs Dash 8 Q-400 (im Folgenden Dash) eingesetzt.
Die Schuldnerin trat nicht eigenständig am Markt als Anbieter von Flugreisen gegenüber Endkunden auf, sondern betrieb Flüge im Wet-Lease auf der Grundlage sog. ACMIO-Verträge (Aircraft, Crew, Maintenance, Insurance, Overhead). Dabei stellte sie ein Flugzeug (Aircraft) nebst Besatzung (Crew), Wartung (Maintenance), Versicherung (Insurance) und Betriebskosten (Overhead) einer anderen Fluggesellschaft für deren Flugstrecke zur Verfügung, wobei Flugzeuge und Besatzung nach außen wahrnehmbar, etwa durch die Lackierung des Flugzeugs und die Uniformen des Kabinenpersonals, dem Auftraggeber zugeordnet sind und gegenüber den Fluggästen lediglich ein Hinweis auf den im Wet-Lease operierenden Dienstleister erfolgt. Über eigene Flugzeuge verfügte die Schuldnerin nicht, sondern leaste sie ihrerseits von Dritten im sog. Dry-Lease. Über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügte die Schuldnerin nicht.
Die Schuldnerin flog in diesem Wet-Lease-Geschäftsmodell zunächst ausschließlich für das Luftverkehrsunternehmen Air C. PLC und Co. Luftverkehrs KG (im folgenden Air C.). Hierzu leaste sie jedenfalls 15 Flugzeuge des Typs Dash im Wege des Dry-Lease, sei es von Air C., sei es von der Deutschen M. AG (im Folgenden E. AG) bzw. Konzernunternehmen der M.. Im Jahr 2008 erwarb Air C. die Geschäftsanteile der Schuldnerin, Anfang 2017 wurden diese von der Komplementärin der Air C. übernommen. Nach der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Air C. im August 2017 erwarb die M. Commercial Holding GmbH (im Folgenden M. GmbH), eine 100%ige Tochtergesellschaft der E. AG, die Geschäftsanteile an der Schuldnerin mit Anteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 13.10.2017.
Am 25.10.2017 schloss die Schuldnerin als Leasinggeber mit der Beklagten zu 2) als Leasingnehmer einen ACMIO Rahmenvertrag (im Folgenden ACMIO RV). In diesem hieß es u.a.:
"IN ANBETRACHT DER TATSACHE, DASS
(A) der Leasinggeber beabsichtigt, eine bestimmte kommerzielle Fahrgastbeförderung für den Leasingnehmer auf Grundlage von ACMIO (wet lease1) wie nachstehend dargestellt durchzuführen und dass der Leasingnehmer beabsichtigt, diese Leistungen des Leasinggebers anzunehmen, und dass
(B) die Vertragsparteien einen oder mehrere ACMIO Kurzverträge über die Erbringung von Leistungen in Erwägung ziehen, wobei diese Vereinbarungen dann den hierin und in Anlage 1 (Kurzform ACMIO) genannten Bedingungen unterliegen (um Missverständnisse zu vermeiden, sind sämtliche Kurzform-ACMIOs Bestandteil dieses Vertrages).
WIRD NUNMEHR FOLGENDES VEREINBART:
1. Begriffsbestimmungen und Auslegung
1.1 Sofern nicht kontextuell etwas Anderes erforderlich ist,
bedeutet ACMIO Kosten die betreffenden Kosten des Leasinggebers für Aircraft (Flugzeug), Cre...