Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessuale Mitwirkungspflicht des Klägers im Kündigungsschutzrechtsstreit. Befreiung der behandelnen Ärzte von der Verschwiegenheitsverpflichtung
Leitsatz (amtlich)
Der Kläger genügt seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nicht, wenn er die ihn behandelnden Ärzte nur gegenüber dem Gericht und seinen eigenen Prozessbevollmächtigten, nicht aber bezogen auf den Prozessgegner, von der ärztlichen Schweigepflicht entbindet. Darin kann eine Beweisvereitelung zu sehen sein. Bei der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht handelt es sich um ein höchst persönliches Recht. Eine Prozessvollmacht genügt zur Abgabe dieser Erklärung nicht, insbesondere dann nicht, wenn der Kläger nach Erteilung der Prozessvollmacht im laufenden Verfahren ausdrücklich erklärt hat, er sei nicht damit einverstanden, dass die Beklagte bei der Vernehmung der Ärzte anwesend sei.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; ZPO § 383 Abs. 1, § 385
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.08.2009; Aktenzeichen 13 Ca 4134/09) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.08.2009, 13 Ca 4134/09, abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten für das Revisionsverfahren hat der Kläger zu tragen.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung, die die Beklagte gegenüber dem Kläger ausgesprochen hat.
Der 1969 geborene, ledige Kläger war seit dem 01.08.1985 bei der Beklagten bzw. zunächst bei deren Rechtsvorgängerin als Kundendiensttechniker zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 3.000,00 € beschäftigt.
Zumindest seit dem Jahr 2002 war das Arbeitsverhältnis dadurch belastet, dass der Kläger wiederholt und trotz erfolgter Ermahnungen und Abmahnungen arbeitsvertragliche Nebenpflichten verletzte.
Mit Schreiben vom 29.01.2009 erteilte die Beklagte dem Kläger sodann eine erneute Ermahnung, in der sie ihn nochmals schriftlich auf die von ihm einzuhaltenden Pflichten - auch hinsichtlich des ihm nur zu dienstlichen Zwecken überlassenen Dienstfahrzeuges - hinwies und ankündigte, weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen einzuleiten, wenn bis zum 15.02.2009 keine Besserung erkennbar sei und festgestellt werden müsse, dass er die im Einzelnen genannten Anweisungen weiterhin missachte. Wegen des Inhalts des Schreibens im Einzelnen wird auf Bl. 94 - 97 der Akte Bezug genommen.
Dieses Schreiben wurde dem Kläger am 06.02.2009 von seinem Vorgesetzten Herrn N. übergeben. An diesem Tag nahm der Kläger erneut die Schlüssel, den Kraftfahrzeugschein sowie das Fahrtenbuch des Dienstfahrzeugs mit nach Hause.
Am Folgetag meldete der Kläger telefonisch gegenüber einem Mitarbeiter der Disposition seine ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit.
Da der Kläger sich sodann bis zum 16.02.2009 nicht mehr meldete und auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übersandte, erteilte die Beklagte ihm unter dem Datum vom 16.02.2009 eine Abmahnung, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 99 - 100 der Akte Bezug genommen wird. Eine weitere Abmahnung (Bl. 102 - 103 der Akte) folgte am 18.02.2009. Trotz entsprechender Aufforderungen durch die Beklagte gab der Kläger die Fahrzeugutensilien das Dienstfahrzeug betreffend zunächst nicht heraus und teilte der Beklagten auch nicht mit, auf welche Weise eine Herausgabe bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit erfolgen könnte, obwohl er nach dem 16.02.2009 sowohl telefonisch als auch per Email Kontakt zur Beklagten aufgenommen hatte. Seine Kontaktaufnahmen bezogen sich nur auf Mitteilungen seine Arbeitsunfähigkeit betreffend.
Auf dem Anrufbeantworter seines Diensthandys hinterlassene Rückrufbitten der Beklagten hat der Kläger nicht beantwortet.
Nach Anhörung des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 09.03.2009 zum 31.10.2009, weil er weisungswidrig erneut die Fahrzeugschlüssel und den Kfz-Brief des Dienstfahrzeugs mitgenommen und diese Fahrzeugutensilien nach Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit trotz mehrfacher Aufforderung und Abmahnung nicht herausgegeben habe sowie deshalb, weil der Kläger gegen seine Pflichten bezüglich der Anzeige- und Nachweispflicht seiner Arbeitsunfähigkeit verstoßen und zudem die Arbeitsunfähigkeit weisungswidrig nicht gegenüber dem Vorgesetzten angezeigt habe.
Ausweislich der im Berufungsverfahren zur Akte gereichten Aufstellung der Krankenkasse über die Erkrankungen des Klägers war dieser in der Zeit vom 09.02. bis 07.03.2009 durch Frau Dr. X. aufgrund einer Gastritis und vom 09.03. bis 17.03.2009 durch Herrn Dr. B. an einer "sonstigen depressiven Episode" arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 17.03.2009 erfolgte erstmalig eine Behandlung durch den Psychiater Dr. M., der ebenfalls eine "sonstige depressive Episode" bescheinigte. In der Zeit vom 02.04. bis 10.04.2009 bescheinigte Dr. B. eine akute Belas...