Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung. Klagerecht. Umstandsmoment. Tarifliche Arbeitsbedingungen. Fortgeltung nach Betriebsübergang
Leitsatz (amtlich)
Durch die mehrjährige widerspruchslose Weiterarbeit zu tariflich geregelten Arbeitsbedingungen, deren Anwendung aus § 613 a Abs. 1 - 3 BGB folgt, ist das Recht des Arbeitnehmers, sich auf die Weitergeltung ursprünglich anderer Tarifverträge zu berufen, nicht verwirkt.
Normenkette
BGB §§ 242, 613a Abs. 1-3
Verfahrensgang
ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 06.06.2012; Aktenzeichen 7 Ca 818/12) |
Nachgehend
Tenor
1.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 06.06.2012 - 7 Ca 818/12 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG, Tarifstand 24.06.2007, anzuwenden sind.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen die Parteien je zur Hälfte, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob auf ihr Arbeitsverhältnis das Tarifwerk der Deutschen Telekom AG (DTAG) mit dem Stand vom 24.06.2007 Anwendung findet.
Der am 29.01.1971 geborene Kläger, der verheiratet und einem Kind unterhaltsverpflichtet ist, ist seit dem 01.03.1991 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als Kommunikationselektroniker beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien bildete zunächst ein Arbeitsvertrag vom 01.03.1991, der unter anderem folgenden Wortlaut hatte:
"Für das Arbeitsverhältnis gelten
- der "Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang)" und die sonstigen Tarifverträge für die Angestellten der Deutschen Bundespost oder
- der "Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb)" und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost
in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Die Zuordnung zum Geltungsbereich des TV Ang oder dem des TV Arb ergibt sich in Anwendung des § 1 Ang bzw. des § 1 TV arb aus der jeweils ausgeübten Tätigkeit."
Infolge der Privatisierung des ehemaligen Teilsondervermögens des Bundes Deutsche Bundespost Telekom durch die Postreform II am 01.01.1995 wurde die Überleitung der Arbeitnehmer und die Weitergeltung der Tarifverträge der Deutschen Bundespost bis zum Abschluss neuer Tarifverträge in § 21 PersRG gesetzlich geregelt. Der Kläger war seitdem bis zum Betriebsübergang auf die Beklagte, der zum 25.06.2007 erfolgte, Arbeitnehmer der DTAG. Dem Betriebsübergang auf die Beklagte war eine Entscheidung des Vorstandes der DTAG und ein entsprechender Beschluss des Aufsichtsrates vorausgegangen, nach denen im Konzern Deutsche Telekom umfangreiche Teile des operativen Geschäftes in neue Servicegesellschaften verlagert werden sollten. Die DTAG beschloss im Frühjahr 2007, aus verschiedenen Konzernunternehmen bestimmte Teile auszugliedern und auf drei Tochtergesellschaften in der Rechtsform der GmbH zu übertragen. Hierzu gehörte auch die Beklagte im vorliegenden Prozess.
Der Kläger wurde mit Schreiben vom 17.07.2007 über den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte gem. § 613 a Abs. 5 BGB informiert. Dabei wurde ihm unter anderem Folgendes mitgeteilt:
Bei dem Übergang auf die Deutsche Telekom Netzproduktion GmbH kommt es zu der soeben beschriebenen Ablösung der tarifvertraglichen Regelungen. Die Tarifvertragsparteien haben ihre Verhandlungen über die in der Deutschen Telekom Netzproduktion GmbH geltenden Tarifregelungen nach einer Phase der Tarifauseinandersetzung am 13.06.2007 wieder aufgenommen und sich inzwischen über ein ablösendes Tarifwerk für die Deutsche Telekom Netzproduktion GmbH geeinigt. Basis dieses Tarifwerks sind die Ihnen bekannten Tarifverträge der DTAG, die allerdings an verschiedenen Stellen auf die Bedürfnisse der Deutschen Telekom Netzproduktion GmbH angepasst wurden. Insbesondere sind auch Sonderregelungen für von der DTAG wechselnde Arbeitnehmer vorgesehen. Diese Sonderregelungen haben zum Ziel, den Übergang der Mitarbeiter aus der DTAG in das neue Konditionensystem der Deutschen Telekom Netzproduktion GmbH sozialverträglich auszugestalten. Im Einzelnen bestehen folgende Überleitung- und Sicherungsregelungen: ...
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten des Informationsschreibens auf Bl. 94 ff d. A. verwiesen.
Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht.
Nachdem das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 06.07.2011 (Az.: 4 AZR 706/09) zum Verhältnis der Tarifverträge der DTAG zu den Nachfolgetarifverträgen bei den ausgegliederten Gesellschaften Stellung genommen hatte, forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 11.01.2012 auf, die Tarifverträge für die DTAG mit Stand vom 24.06.2007 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Dies lehnte d...