Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Anrechnung von Wehrdienstzeiten
Leitsatz (amtlich)
1.) Unter „Regelzeit” im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 ArbPlSchG ist für den Bereich des Hochschulstudiums die festgelegte Regelstudienzeit und nicht die durchschnittliche Studiendauer zu verstehen.
2.) Eine Überschreitung der Regelzeit ist auch dann „unzulässig” im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 ArbPlSchG, wenn sie dem Studierenden nicht vorwerfbar ist. Maßstab ist insoweit nicht die subjektive Vorwerfbarkeit, sondern die objektive Rechtslage. Es bedarf eines normierten Zulässigkeitsgrundes für das Überschreiten der Regelzeit.
Normenkette
BetrAVG § 1b; ArbPlSchG § 12 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Essen (Urteil vom 10.03.2006; Aktenzeichen 5 Ca 4732/05) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 10.03.2006 – Az.: 5 Ca 4732/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob und in welcher Höhe der Kläger aufgrund einer Anrechnung seiner Wehrdienstzeit eine unverfallbare Anwartschaft auf eine Betriebsrente erworben hat.
Der am 08.03.1962 geborene Kläger leistete in der Zeit vom 01.10.1981 bis zum 31.12.1982 seinen Grundwehrdienst bei der Bundeswehr. Anschließend begann er im Sommersemester 1983 mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Marburg. Während des Studiums nahm er in der Zeit vom 15.09. bis zum 26.09.1983 und in der Zeit vom 28.02. bis zum 07.03.1986 an Wehrübungen teil. Nach Beendigung des 7. Fachsemesters (30.09.1986) hatte er alle Scheine und Leistungsnachweise, die für die Meldung zum ersten juristischen Staatsexamen erforderlich waren. In Hessen gab es seinerzeit aus organisatorischen Gründen für die Meldung zur ersten juristischen Staatsprüfung jährlich lediglich drei Meldetermine, nämlich im Januar, im Mai und im Juli jeden Jahres. Bei der Meldung im Januar war der Abschluss der Prüfung im Zeitraum Oktober/November/Dezember vorgesehen, bei der Meldung im Mai war der Abschluss der Prüfung im Zeitraum Januar/Februar/März des folgenden Jahres vorgesehen und bei der Meldung im Juli für den Zeitraum Mai/Juni des folgenden Jahres. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Merkblatt des Hessischen Justizprüfungsamtes für die Meldung zur ersten juristischen Staatsprüfung, Stand 3/86 (Bl. 61 ff. d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger meldete sich, nachdem er nach dem 7. Semester zunächst noch ein juristisches Repetitorium besucht hatte, am 14.07.1987 zur ersten juristischen Staatsprüfung an. Die schriftliche Prüfung fand während des Wintersemesters 1987/1988 statt, welches der Kläger als Urlaubssemester genommen hatte. Mit der mündlichen Prüfung am 25.05.1988 schloss er sein Hochschulstudium erfolgreich ab. Nach der anschließenden Referendarzeit legte er im September 1991 sein zweites juristisches Staatsexamen ab.
Zum 01.12.1991 wurde der Kläger bei der WTU Westdeutsche Treuhandunion GmbH, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, eingestellt. Mit Wirkung zum 01.01.1994 wurde ihm auf der Grundlage eines betrieblichen Versorgungswerkes, wegen dessen Einzelheiten auf die Versorgungsordnung vom 01.12.1994 (Bl. 28 ff. d.A.) Bezug genommen wird, eine Versorgungszusage erteilt. Mit einem Schreiben von Dezember 1998 ernannte die Beklagte ihn zum „Seniorberater”. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund einer Eigenkündigung des Klägers mit Wirkung zum 30.09.2002.
Mit seiner am 22.12.2005 vor dem Arbeitsgericht Essen erhobenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung einer unverfallbaren Anwartschaft auf eine Betriebsrente nach Maßgabe der Pensionsgruppe 6 der Anlage zur Versorgungsordnung vom 01.12.1994. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine unverfallbare Rentenanwartschaft zu, da seine Wehrdienstzeit gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 ArbPlSchG anzurechnen sei. Unter „Regelzeit” im Sinne dieser Vorschrift sei nicht die „Regelstudienzeit” zu verstehen, sondern die durchschnittliche tatsächliche Studiendauer, die in Hessen im fraglichen Zeitraum – wie auch bundesweit – mehr als 12 Semester betragen habe.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass er nach Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Versorgungsordnung „WTU” der Beklagten vom 01.12.1994 hat;
- festzustellen, dass er in die Pensionsgruppe 6 der Anlage zur Versorgungsordnung der Beklagten „WTU” vom 01.12.1994 einzuordnen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keine unverfallbare Anwartschaft auf eine Betriebsrente erworben. Der Begriff „Regelzeit” sei für den Bereich des Hochschulstudiums mit dem Begriff „Regelstudienzeit” gleichzusetzen. Eine unzulässige Überschreitung der Regelstudienzeit hätte nur dann nicht vorgelegen, wenn sich der Kläger zum frühestmöglichen Termin zum Examen gemeldet hätte, was jedoch nicht der Fall gewesen sei.
D...