Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer Gesamtbetriebsvereinbarung, mit der eine die Entgeltfindung betreffende Gesamtbetriebsvereinbarung im Hinblick auf einen Betriebsübergang aufgehoben wird

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Rechtswirksamkeit einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit der eine bislang die Entgeltfindung betreffende Gesamtbetriebsvereinbarung für die von einem Betriebsübergang betroffenen Betriebe 24 Stunden vor dem Übergang aufgehoben wird.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zwar ist eine gegen § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG verstoßende Betriebsvereinbarung grundsätzlich unwirksam. Das gilt jedoch nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt (hier: bejaht).

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1; BetrVG § 77 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Mönchengladbach (Entscheidung vom 23.08.2016; Aktenzeichen 1 Ca 1329/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.08.2019; Aktenzeichen 1 AZR 213/18)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mönchengladbach vom 23.08.2016 - 1 Ca 1329/16 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

  • II.

    Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

  • III.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention.

  • IV.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der Klage verlangt der Kläger von der Betriebserwerberin (Beklagten) die Weiterzahlung des Entgelts, das ihm nach den für ihn bis 24 Stunden vor Betriebsübergang bei der Veräußerin (Streithelferin) geltenden Betriebsvereinbarungen und (Firmen-)Tarifverträgen zustand. Er stützt sein Begehren auf verschiedene rechtliche Erwägungen in Zusammenhang mit § 613 a Abs. 1 Satz 2 bzw. Satz 1 BGB i.V.m. der unter Nr. 13 des geltenden Arbeitsvertrages vereinbarten Bezugnahmeklausel sowie einer im Jahre 2009 vereinbarten Änderung der Arbeitsbedingungen. Beklagte und Streithelferin vertreten demgegenüber die Auffassung, da die speziell für die Entgeltfindung bei der Streithelferin maßgeblichen Kollektivregelungen 24 Stunden vor dem Betriebsübergang aufgehoben worden seien, habe der Kläger ausschließlich Anspruch auf das sich für seine Tätigkeit aus dem Flächentarifvertrag des KFZ-Handwerks NRW ergebende Entgelt. Im Einzelnen:

Der nicht kraft Gewerkschaftszugehörigkeit tarifgebundene Kläger trat im Jahre 1987 in die Dienste der Streithelferin und war seither in deren Niederlassung in N. beschäftigt.

Unter Nr. 13 des Arbeitsvertrages vom 31.01./16.02.2000, wegen dessen vollständiger Fassung auf die mit der Klageschrift als Anlage K2 vorgelegte Kopie verwiesen wird, haben die Arbeitsvertragsparteien vereinbart:

"Im Übrigen gelten die gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen, die Arbeitsordnung und die sonstigen Betriebsvereinbarungen, die Richtlinien sowie die Anweisungen der Firma in der jeweiligen Fassung".

Mit dem Schreiben vom 19.06.2009 (Kopie = Anlage B1 zum Schriftsatz des Klägers vom 01.06.2017) bestätigte die Streithelferin dem Kläger, dass dieser ab dem 01.07.2009 in der Kundendienstannahme für PKW/Unfallannahme als

"Technischer Angestellter, Tätigkeitsschlüssel 7000 00, Rang 19 ..."

weiterbeschäftigt werde. In dem Schreiben heißt es weiter:

"Ihre monatliche Vergütung setzt sich entsprechend Ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 36,50 Stunden ab dem 01.07.2009 wie folgt zusammen:

Tarifgehalt der Gruppe T5/2 EUR 2831,87

Außertarifliche Zulage EUR 635,81

Leistungsbezogener Tarifanteil EUR 432,32

zusammen EUR 3.900,00

in Worten: EUR dreitausendneunhundert.

Alle übrigen Bestimmungen Ihres Arbeitsvertrages bleiben bestehen.

..."

Mit Schreiben vom 07.10.2013 (Kopie = Anlage K3 zur Klageschrift) bestätigte die Streithelferin dem Kläger, dass dieser ab 01.09.2013 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39,0 Stunden als "Serviceberater PKW, Tätigkeitsschlüssel 740000, Entgeltgruppe 12 ... " weiterbeschäftigt werde, sein Monatsentgelt, dessen genaue Zusammensetzung er "im Employee Self Service in ePeople einsehen" könne, "derzeit 4.918,07 EUR" betrage und im Übrigen die Bestimmungen des Anstellungsvertrages bestehen blieben.

Während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses war die Streithelferin sowohl im Tarifbezirk Nordrhein-Westfalen als auch im Tarifbezirk Baden-Württemberg unmittelbar an die Tarifverträge des KFZ-Handwerks gebunden.

Zum Zeitpunkt des Schreibens der Streithelferin vom 19.06.2009 galt in den Niederlassungen der Streithelferin als betriebliches Gehaltssystem das sog. "Richtwertsystem der E. AG". Teil dieses Systems war die Betriebsvereinbarung zur Effizienzsteigerung und der Standortsicherung der Niederlassungen vom 7. Mai 1997 (BV Effizienz), wegen deren Inhalt auf die von der Streithelferin mit Schriftsatz vom 07.07.2017 als Anlage SH4 vorgelegte Kopie verwiesen wird. Danach gab es neben einem sog. Tarifgehalt einen leistungsbezogenen Tarifanteil und eine außertarifliche Zulage.

Unter dem 31.07.2009 schloss die Streithelferin mit dem Gesamtbetriebsrat die "Gesamtbetriebsvereinbarung zur Einführung des Vergütungssystems ERA Niederlassungen in den Niederlass...

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