Entscheidungsstichwort (Thema)
Formularmäßige Vereinbarung der Voraussetzungen der Beantragung einer Betriebsrente wegen Erwerbsminderung
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist nicht zu beanstanden, wenn eine Pensionskasse in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen regelt, dass diejenigen Mitglieder, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist, erst ab dem Monat der Antragstellung eine Betriebsrente wegen einer Erwerbsminderung erhalten.
2. Nicht zulässig ist es aber, diese Antragstellung mit dem Erfordernis des Nachweises einer Erwerbsminderung durch Vorlage des Rentenbescheides des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers oder eines amts- oder werksärztlichen Attestes zu verbinden. Hierdurch werden die Pensionsberechtigten unangemessen benachteiligt i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Beginn der Bezugsberechtigung wird damit davon abhängig gemacht, wie zügig und sorgfältig ein Sachbearbeiter bei der Rentenversicherung bzw. ein Amts- oder Werksarzt im konkreten Fall arbeitet. In den Fällen, in denen die Erwerbsminderung zunächst zu Unrecht verkannt und erst zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend anerkannt wird, könnten keine Betriebsrentenansprüche ab Eintritt des Versorgungsfalls bezogen werden.
3. Diesem Nachteil der Pensionsberechtigten steht kein schützenswertes Interesse der Pensionskasse gegenüber. Zwar hat sie ein berechtigtes Interesse daran, nur bei einer nachgewiesenen Erwerbsminderung Leistungen zu erbringen. Hierfür ist es aber nicht notwendig, dass der Nachweis bereits bei Antragstellung vorliegen muss.
Normenkette
BGB § 307; BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Entscheidung vom 22.09.2016; Aktenzeichen 3 Ca 459/16 lev) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 22.09.2016 - AZ. 3 Ca 459/16 lev - abgeändert.
- Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger 17.846,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.01.2016 zu zahlen.
- Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 3.937,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.01.2016 zu zahlen.
II.
Die Beklagten haben jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 1. zu 82% und der Beklagten zu 2. zu 18% auferlegt.
III.
Die Revision wird für beide Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger rückwirkend eine Betriebsrente wegen Erwerbsminderung zusteht.
Der am 21.11.1957 geborene Kläger war vom 02.03.1973 bis zum 30.09.2005 bei der Beklagten zu 2. bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Die Beklagte zu 1. ist eine Pensionskasse, deren Mitglied der Kläger seit dem 01.01.1984 ist.
Dem Kläger wurde unter dem Datum des 28.10.2005 im Auftrag beider Beklagten die Auskunft erteilt, dass ihm folgende unverfallbaren Anwartschaften auf Altersruhegeld zum 65. Lebensjahr zustünden:
?Anwartschaft aufgrund der Satzung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zu 1. in Höhe von monatlich 540,80 EUR und eine
?Anwartschaft auf Firmenleistungen der Beklagten zu 2. aus firmenfinanzierten Zusagen in Höhe von 119,32 EUR.
Nachdem ein entsprechender Antrag des Klägers zunächst abgelehnt worden war, gab die Deutsche Rentenversicherung S. einem Widerspruch des Klägers statt und bewilligte ihm mit Bescheid vom 03.11.2015 rückwirkend zum 01.02.2013 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie des Rentenbescheids (Bl. 102 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Mit einem Schreiben vom 23.11.2015 beantragte der Kläger bei den Beklagten die Bewilligung einer Betriebsrente. Ihm wurde daraufhin eine von der Beklagten zu 1. zu leistende Pensionskassenrente in Höhe von 540,80 EUR und eine von der Beklagten zu 2. zu erbringende Firmenleistung in Höhe von 119,32 EUR mit Wirkung zum 01.11.2015 bewilligt, wie einer Berechnung der C. E. Services GmbH (Bl. 101 d.A.) zu entnehmen ist. Die vom Kläger weitergehend begehrte rückwirkende Bewilligung zum 01.02.2013 lehnten die Beklagten mit einem Schreiben vom 13.01.2016 ab.
Die bei Ausscheiden des Klägers im Jahr 2005 gültige Satzung der Beklagten zu 1. beinhaltete u.a. folgende Regelungen:
"...
§ 2 Mitgliedschaft
Mitglieder der Kasse sind
?ordentliche Mitglieder
?außerordentliche Mitglieder und
?Bezieherinnen und Bezieher von Mitgliedsrenten.
§ 3 Ordentliche Mitgliedschaft
...
5. Die ordentliche Mitgliedschaft endet mit
?der Beendigung des ihr zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses, ...
?dem Eintritt des Versicherungsfalles ...
§ 4 Außerordentliche Mitgliedschaft
1.Außerordentliche Mitglieder werden diejenigen ordentlichen Mitglieder, die aus dem zugrunde liegenden Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles ausscheiden, sofern nicht die ordentliche Mitgliedschaft gemäß § 3 Nr. 4 ruht. ...
Soweit die ordentliche Mitgliedschaft vor dem 1. Januar 2003 begonnen hat, gilt § 14.
...
§ 14 Übergangsbestimmungen
1.Soweit die ordentliche Mitglieds...