Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung teilzeitbeschäftigter, nicht examinierter Pflegehelferinnen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es verstößt weder gegen Art. 119 EWGV noch Art. 1 § 2 Abs. 1 Beschäftigungsförderungsgesetz oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein Arbeitgeber nicht examinierte Pflegehelferinnen wegen der fehlenden Qualifikation und Einsatzmöglichkeit aus dem Anwendungsbereich des für examinierte Fachpflegekräfte geltenden BAT herausnimmt.

2. Dies gilt bei Vorliegen weiterer sachlicher Gründe auch dann, wenn das Vergütungsgefüge des BAT die Tätigkeiten der nicht examinierten Pflegekräfte umfaßt.

 

Normenkette

EWEV Art. 119; Beschäftigungsförderungsgesetz Art. 1 § 2 Abs. 1; BAT

 

Verfahrensgang

ArbG Duisburg (Urteil vom 14.09.1994; Aktenzeichen 3 Ca 2045/94)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 14.09.1994 – 3 Ca 2045/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob auf ihr Arbeitsverhältnis Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages, Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst (BAT/KR) anzuwenden sind.

Die am 18.09.1940 geborene Klägerin ist seit dem 21.07.1983 bei dem beklagten Verein als Pflegehelferin in der Altenhilfe teilzeitbeschäftigt. Ihr Bruttomonatslohn beträgt durchschnittlich DM 1.437,60 bei einer Arbeitszeit von 100 Stunden. Sie absolvierte in der Vergangenheit einen 28 Tage umfassenden Schwesternhelferinnen-Lehrgang, einen acht Doppelstunden umfassenden Lehrgang „Krankenpflege in der Familie”, eine je acht Doppelstunden umfassende „Grundausbildung in Erster Hilfe” und „Ausbildung in Erster Hilfe” sowie den Grundlehrgang „Haus- und Familiepflegehelfer/in” mit insgesamt 120 Unterrichtseinheiten.

Ausweislich des zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 21.08.1989/18.01.1990 finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien, die im übrigen nicht tarifgebunden sind, die Bestimmungen des BAT/KR keine Anwendung.

Im Bereich der sogenannten „Ambulanten Sozialpflegerischen Dienste” (ASD) beschäftigt der beklagte Verein drei Berufsgruppen, die sich wie folgt zusammensetzen bzw. voneinander unterscheiden:

1. Gruppe: Examinierte Fachpflegekräfte.

a. Qualifikation:

Examinierte Fachpflegekräfte absolvieren eine 3-jährige Ausbildung, die mit dem Staatsexamen in der Krankenpflege abschließt.

b. Tätigkeit:

Aufgrund ihrer Ausbildung sind die examinierten Fachpflegekräfte im Bereich der Pflegediagnose tätig. Dies bedeutet, daß diesen Mitarbeitern das Krankheitsbild des Pflegebedürftigen bekannt ist, selbständig ausgewertet werden kann und notwendige begleitende und vorbeugende medizinische Maßnahmen durch die Pflegekräfte ergriffen werden, z.B. intramuskuläre Injektionen und andere medizinisch anspruchsvolle Maßnahmen.

2. Gruppe: Krankenpflegehelferinnen.

a. Qualifikation:

Die Krankenpflegehelferinnen absolvieren eine 1-jährige Vollzeit-Ausbildung mit einem staatlich anerkannten Abschluß. Diese Ausbildung erfolgt in Kranken-, Altenpflegeschulen oder Altenpflege-Seminaren.

b. Tätigkeit:

Die Krankenpflegehelferinnen sind im Bereich der Krankenbeobachtung und der Pflegedokumentation in Übereinstimmung mit dem Pflegeplan tätig. Aufgrund ihrer Ausbildung sind sie berechtigt, einfache medizinische Eingriffe vorzunehmen, wie z.B. eine Insulin-Injektion.

3. Gruppe: Pflegehelferinnen.

a. Qualifikation:

Die Pflegehelferinnen absolvieren in der Regel einen Erste-Hilfe-Lehrgang, ein Schwesternhelferinnen-Programm und einen Lehrgang für Haus- und Familienpflegehelferinnen, der von dem Beklagten selbst angeboten wird.

Die Lehrgänge haben einen zeitlichen Umfang von ca. 2–6 Wochen, von denen die längeren jedoch nicht in Vollzeit absolviert werden.

b. Tätigkeit:

Die Pflegehelferinnen führen die Grundpflege bei den Pflegebedürftigen durch. Dies beinhaltet einfache Pflegehilfstätigkeiten wie Waschen und Körperpflege.

Die Klägerin wird vom beklagten Verein der dritten Gruppe zugeordnet und enthält keine Vergütung nach BAT/KR. In diesem Bereich waren in den Jahren 1993/94 32 Frauen und drei Männer teilzeitbeschäftigt und wurden insgesamt nicht nach BAT/KR vergütet (vgl. hierzu die Zusammenstellung Bl. 32–34 d.A.).

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden ersten Gruppen, in denen fast ausschließlich Frauen beschäftigt sind, erhalten Vergütung nach BAT/KR, und zwar auch dann, wenn sie nur Teilzeittätigkeiten erbringen (vgl. hierzu Bl. 40–42 d.A.). Außerhalb des Pflegebereichs beschäftigt der beklagte Verein darüber hinaus für gewerbliche Hilfstätigkeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Teilzeit, die ebenfalls nicht nach BAT/KR vergütet werden (s. hierzu Bl. 36 d.A.).

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 25.11.1993 erfolglos die Anwendung des BAT/KR geltend gemacht hatte, hat sie ihr Begehren mit einer am 03.08.1994 beim Arbeitsgericht Duisburg anhängig gemachten Klage weiterverfolgt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Nichtberücksichtigung des BAT/KR verstoße gegen den arbeits...

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