Entscheidungsstichwort (Thema)
Überzahlung von Versorgungsbezügen einer ehemaligen Lehrerin im Prüfmodell. Keine Anwendung der Verjährung nach Beamtenecht für privatrechtliche Versorgungsverhältnisse. Herabsetzung der Rückforderung aus Billigkeitsgründen. Anwendbarkeit des § 814 BGB bei Rückforderung im privatrechtlichen Versorgungsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Leistungskondiktion überzahlter Versorgungsbezüge, wenn sich der Ersatzschulträger für die Zahlung der Versorgungsbezüge des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW im sog. Prüfmodell bedient.
2. Zur Anwendung von § 814 BGB in einem solchen Fall.
3. Die von der Kenntnis unabhängige Verjährungsfrist des § 65 LBeamtVG NRW findet in einem privatrechtlichen Versorgungsverhältnis des Ersatzschuldiensts keine Anwendung. Es bleibt bei § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
4. Ein Rückforderungsanspruch überzahlter Versorgungsbezüge kann auch im privatrechtlichen Versorgungsverhältnis einer ehemaligen Ersatzschullehrerin in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 2 Satz 3 LBeamtVG NRW aus Billigkeitsgründen herabgesetzt werden.
Normenkette
BGB § 166 Abs. 1, §§ 195, 199 Abs. 1, §§ 203, 204 Abs. 1, §§ 242, 315 Abs. 3, § 812 Abs. 1, §§ 814, 818 Abs. 3; BetrAVG § 18a S. 2; ZPO § 520 Abs. 3, § 696 Abs. 3; LBeamtVG NRW § 64 Abs. 2; LBeamtVG NRW § 65; LBeamtVG NRW § 67 Abs. 1; LBeamtVG NRW § 67 Abs. 2; LBeamtVG NRW § 67 Abs. 4; LBeamtVG NRW § 76 Abs. 2; LBeamtVG NRW § 93; SchulG NRW § 114 Abs. 2; SchulG NRW § 114 Abs. 3; VwVfG NRW § 48 Abs. 4; FESchVO NRW §§ 2-3, 11 Abs. 3-4; BGB §§ 288, 291; ZPO § 92 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 25.05.2022; Aktenzeichen 8 Ca 674/22) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.05.2022 - 8 Ca 674/22 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.095,52 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.02.2022 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 25 % und der Beklagten zu 75 % auferlegt, ausgenommen die durch die Anrufung des Landgerichts Düsseldorfs erwachsenen Kosten. Diese werden alleine der Klägerin auferlegt.
II.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden Klägerin zu 40 % und der Beklagten zu 60 % auferlegt.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge.
Die am 05.07.1937 geborene Beklagte stand seit dem 01.08.1980 bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand am 01.12.1998 auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 11.01.1980 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 16.12.1991 als hauptberufliche Lehrerin für die Fächer Methodik und Didaktik, Körperbildung, Bewegungsbildung, pflegerische Gymnastik im Ersatzschuldienst der Klägerin. In dem Anstellungsvertrag hieß es u.a.:
"... wird auf Grund des § 41 Abs. 3 des Ersten Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen vom 8. April 1952 - SchOG - (GS. NW S. 430), des § 8 der Dritten Verordnung zur Ausführung des SchOG vom 10. Juli 1959 - 3. AVOzSchOG - (GV. NW. S. 125), des § 8 des Gesetzes zur Finanzierung der Ersatzschulen (Ersatzschulfinanzgesetz - EFG) vom 27. Juni 1961 (GV. NW. S.230) und der Ziffer 8.2 der Verwaltungsverordnung zur Durchführung dieses Gesetzes vom 25. November 1961 - VVOzEFG - (ABl. KM. NW. S. 191) folgender Anstellungsvertrag geschlossen:
...
§ 2
...
Frau C.-C. hat alle die den entsprechenden Lehrern an vergleichbaren öffentlichen Schulen obliegenden Pflichten zu übernehmen und wird seine (ihre) Tätigkeit nach den Weisungen der Schulleitung und in kollegialer Zusammenarbeit mit den anderen Lehrern der Schule ausüben.
Im Übrigen gelten für die Rechte und Pflichten des (der) Herrn/Frau/Fräulein C.-C. sinngemäß die Grundsätze, die allgemein für entsprechende hauptamtliche Lehrer an vergleichbaren öffentlichen Schulen maßgebend sind, soweit diese Grundsätze nicht auf der Eigenart des öffentlichen Dienstes beruhen.
§ 3
...
Die Dienstbezüge werden spätestens am letzten Werktag eines jeden Monats für den folgenden Monat gezahlt.
...
§ 5
Herr/Frau C.-C. hat Anwartschaft auf beamtenmäßige Versorgung. Bei der Berechnung der Versorgungsbezüge werden die für vergleichbare Landesbeamte geltenden Bestimmungen entsprechend angewandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung des Anstellungsvertrages vom 11.01.1980 nebst ,Änderungsvereinbarung vom 16.12.1991 (Anlage zum Protokoll vom 16.03.2022) Bezug genommen.
Die Beklagte war mit einem Lehrer, der als Beamter im Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen stand, verheiratet. Seit dessen Tod erhielt sie aus dessen Versorgung aufgrund des Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (im Folgenden: LBV) vom 02.05.2013 (Anlage B 1 zum Schriftsatz der Klägerin vom 11.03.2022) ab dem 01.04.20...