Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsbummelei und falsche Selbstaufzeichnung der Arbeitszeit als wichtiger Kündigungsgrund?

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Umstand, dass eine für die Straßenerhaltung in einem Stadtbezirk zuständige Zwei-Mann-Kolonne die Arbeit morgens für eine halbstündige Pause an einer Kaffeebude „eigenmächtig” unterbricht, gibt bei fehlender vorheriger Abmahnung nicht ohne weiteres einen „an sich wichtigen Grund” für eine außerordentliche Kündigung ab.

2. Der Umstand, dass die Kolonne in den von ihr zu erstellenden Arbeitsberichten die Kaffepause nicht ausweist, sondern arbeitszeitmäßg den unterbrochenen bzw. nachfolgenden Arbeitsauftrag zuordnet, rechtfertigt keine außerordentliche Kündigung (hier eines seit ca. 30 Jahren beim Arbeitgeber beschäftigten Arbeiters), wenn die Zeitangaben in den Arbeitsberichten weder für die Vergütungsberechnung noch für die Leistungsabrechnung gegenüber dem Auftraggeber eine Rolle spielt oder der Arbeits(zeit)kontrolle dienen soll.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Urteil vom 05.02.2009; Aktenzeichen 1 Ca 2001/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 05.02.2009 teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich des Antrages zu 2) abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 3/8 und die Beklagte zu 5/8.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist ausgesprochenen Kündigung vom 30.10.2008, für die die Beklagte sich auf verhaltensbedingte Gründe unter dem Gesichtspunkt der Tat- und Verdachtskündigung beruft.

Der Kläger, am 14.10.1955 geboren, verheiratet, gegenüber 1 Kind zum Unterhalt verpflichtet, ist seit dem 18.04.1979 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der Stadt Oberhausen, beschäftigt. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren BMT-G II kann er nur aus einem wichtigem Grund gekündigt werden (§ 52 Abs. 1 BMT-G i.V.m. § 14 Abs. 3 TVÜ-VKA).

Der Kläger ist in der Abteilung Straßenunterhaltung des Betriebes Kanäle und Straßen beschäftigt. Die Abteilung beschäftigt u.a. vier 2-Mann-Kolonnen, denen jeweils ein bestimmter Bezirk zugewiesen ist. Aufgabe der Kolonnen ist es, nach eingegangenen Schadensmeldungen Gehwegplatten aufzunehmen und neuzuverlegen, Pflasterarbeiten und Asphaltausbesserungsarbeiten durchzuführen oder Schlaglöcher zu beseitigen. Der Kläger ist seit jeher im Bezirk 2 eingesetzt und bildet mit dem im Jahr 1991 eingestellten Straßenbauer K. eine 2-Mann-Kolonne.

Zu Dienstbeginn (im Oktober 2008 um 7.00 Uhr) nach der Arbeitseinteilung durch den Meister entladen die Kolonnen ihre (vom Vortag noch beladenen) Fahrzeuge, beladen sie neu mit dem für den Arbeitstag benötigten Material und fahren anschließend in ihren Bezirk. Wenn nicht ein Eilauftrag vorliegt, der vorrangig zu erledigen ist, ist es den Kolonnen überlassen, die Reihenfolge der abzuarbeitenden Reparaturaufträge selbst festzulegen. Sie bestimmen auch selbst, wann sie ihre halbstündige Pause nehmen. Ob sie ihre Pause in die Zeit zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr legen sollen, ist zwischen den Parteien streitig. Die Kolonnen dürfen 20 Minuten vor Dienstschluss aus ihrem Bezirk kommend in den Betriebshof wieder einfahren. Der Arbeitstag vom Montag bis Donnerstag umfasst täglich 9 1/2 Stunden (einschl. Pause); am Freitag endet der Dienst um 12.30 Uhr (ohne Pause), an jedem zweiten Freitag ist arbeitsfrei.

Die Kolonnen haben „Arbeitsberichte” auszufüllen. In der Kolonne des Klägers pflegt der Kläger als Vorarbeiter die Arbeitsberichte auszufüllen und zu unterzeichnen, genauso wie er es ist, der das Dienstfahrzeug führt. Die Arbeitsberichte dienen gegenüber der Auftraggeberin, der Stadt Oberhausen, als Nachweis für die Erledigung der gemeldeten Schäden. Sie sind nicht Grundlage für die Leistungsabrechnung, die nach einem auf Art und Umfang (Quadratmeter) der ausgeführten Arbeiten basierenden Punktesystem erfolgt. Die Arbeitsberichte werden ebenso wenig für die Lohnberechnung verwendet.

Am 11.10.2008 wurde der Personalleiter der Beklagten von seinem Bruder, der eine Schreinerei in Oberhausen, N.-M.-Str., betreibt, darüber informiert, dass seit Wochen morgens vor der Schreinerei ein X.-Dienstfahrzeug parke. Der Personalleiter beobachtete daraufhin in der 42. Kalenderwoche (vom 13. bis 17.10.2008) diesen Vorgang und stellte fest, dass am Montag, 13.10.2008, der Kläger (mindestens) von 7.40 Uhr bis 8.12 Uhr (Abfahrt) eine Pause im Kiosk/Stehcafe H. straße einlegte. Am Dienstag, 14.10.2008 dauerte die vom Kläger und seinem Kollegen B. am Kiosk eingelegte Pause von (mindestens) 7.42 Uhr bis 8.16 Uhr (Abfahrt), am Mittwoch von 7.38 Uhr bis 8.05 Uhr, am Donnerstag von 7.40 Uhr bis 8.01 Uhr, am Freitag von 7.32 Uhr bis 7.55 Uhr. An allen Tagen war das Dienstfahrzeug vor der Schreinerei abgestellt.

Der Kläger hatte in den Arbeitsberichten für die 42. KW wie gew...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge